Mangelware Arzt oder Wie soll Afrika sein Millenniumsziel Gesundheit erfüllen?

In Deutschland kommen auf 10 000 Einwohner 35 Ärzte, im ländlichen Tansania einer auf 100 000

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Lage in Schwarzafrika ist nach jüngsten Zahlen der WHO dramatisch.

Beim Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele hinkt die internationale Gemeinschaft noch immer deutlich den Vorgaben bis 2015 hinterher. Da mehrere der Ziele eine direkte oder indirekte medizinische Komponente haben, ist schon die mangelnde Verfügbarkeit eines Arztes oft ein Faktor des Scheiterns.

Mosambik hat 22 Millionen Einwohner, rund ein Viertel der Bevölkerungszahl Deutschlands. Doch lediglich 548 Ärzte stehen den Bürgern im Bedarfsfall zur Verfügung – ein besonders drastisches Beispiel, aber gerade im südlichen Afrika alles andere als ein Einzelfall. In nahezu allen Ländern der Region gibt es einen dramatischen Mangel an medizinisch geschultem Personal, von Krankenschwestern und Hebammen über Allgemeinmediziner bis hin zu Fachärzten. Selbst wenn Personal in größeren Städten noch vorhanden ist, scheitert eine erfolgreiche Behandlung von Patienten oft, weil notwendige Medikamente oder Technik nicht verfügbar sind. Auch weiter nördlich auf dem Kontinent sieht es nicht besser aus. In Niger etwa gibt es für die 14 Millionen Einwohner nur 288 Mediziner.

Mangelware Arzt, in diesen zwei Worten lässt sich die aktuelle Statistik der Weltgesundheitsorganisation für die Hälfte des Planeten zusammenfassen. Auf 35 Ärzte pro 10 000 Einwohner, die Nenngröße der statistischen Erhebungen, bringt es Deutschland aktuell – paradiesische Zustände für den, der die Zahlen aus schwarzafrikanischer Perspektive betrachtet.

Mit sechs Ärzten pro 10 000 Einwohner liegen die Kapverden noch an der Spitze, vier sind es in Botswana, drei in Gabun und Äquatorial-Guinea. Doch in Ghana, Guinea, Kenia, Lesotho, Kongo/Kinshasa, der Elfenbeinküste, Benin, Angola, Burkina Faso und der Zentralafrikanischen Republik muss jeder Mediziner, statistisch gesehen, für mindestens 10 000 potenzielle Patienten da sein, und noch einmal doppelt so schlimm ist die Lage in einem Dutzend weiterer Staaten. In Tschad kommt lediglich ein Arzt auf 20 000 Einwohner. Nicht einmal Community Health Workers, die andernorts bisweilen die schlimmsten Lücken stopfen, können da helfen – es gibt im ganzen Land nur 154.

Burundi hat zwar ehrgeizigerweise die Gesundheitsversorgung für Kinder, Mütter und HIV-Patienten kostenlos gemacht. Das nützt in der Praxis aber nur wenig, da die Möglichkeiten zur Behandlung fehlen. Ein Doktor kommt statistisch auf 34 744 Menschen, und nahezu jeder zweite Todesfall unter Patienten ist auf Malaria zurückzuführen, was sich mit mehr Personal und Medikamenten leicht reduzieren ließe. Die 1339 Allgemeinmediziner in Tansania konzentrieren sich im Großraum der Metropole Daressalam. In den ländlichen Regionen liegt die Quote bei einem Minimalwert von einem Arzt pro 100 000 Bürger.

Am schlimmsten sieht es in Ländern aus, in denen langjährige bewaffnete Konflikte tobten. In Somalia sind die meisten Mediziner und Krankenschwestern entweder getötet worden, ins Ausland geflohen oder können ihren Beruf nicht ausüben. In drei Distrikten kümmern sich nach einer Erhebung von 2009 gerade noch elf Ärzte um eine Gesamtbevölkerung von 600 000 Menschen.

Auch ganz Liberia hat lediglich 51 Ärzte, und die deutliche Reduzierung der Müttersterblichkeit als eines der Millenniums-Entwicklungsziele klingt wie Hohn, wenn jede zweite Geburt ohne jegliche medizinische Betreuung durch Hebammen oder andere geschulte Kräfte erfolgt.

Sierra Leone, ein anderes ehemaliges Bürgerkriegsland, hat per Gesetz freie Gesundheitsfürsorge für Schwangere und Mütter mit Kindern bis fünf Jahre eingeführt. Was sich auf dem Papier schön ausnimmt, scheitert aber allzu oft an den realen Verhältnissen. Selbst die Gastärzte aus Kuba und Nicaragua können den Mangel an medizinischem Personal nicht einmal annähernd ausgleichen.

So positiv und teils einfallsreich die Programme sind, mit »Gesundheitsarbeitern« die größten Löcher zu stopfen, stoßen diese doch oft an ihre Grenzen. In einem zehnwöchigen Schnellkurs lässt sich nur ein Bruchteil des Wissens vermitteln, das ein Arzt im Laufe seines Studiums anhäuft und im Laufe seines Berufslebens durch Erfahrungen ergänzt. Dass in Malawi inzwischen 95 Prozent der HIV-Tests von nichtmedizinischen Beratern durchgeführt werden, bereitet in Fachkreisen bereits Sorge. Gerade das Aids-Problem, unter dem Schwarzafrika mehr leidet als jede andere Weltregion, erfordert versierte Mediziner und einen ergänzenden Tross von Krankenschwestern und Pflegern.

Bei Krankenhausbetten setzt sich der Mangel nahtlos fort. Auch hochwertige Ausrüstung kann sich keine Klinik des öffentlichen Gesundheitswesens leisten. Wer dort als Arzt arbeitet, dem wird oft viel Idealismus abverlangt. Kein Wunder, wenn gut ausgebildete Mediziner ins Ausland abwandern oder besser bezahlte Jobs in privaten Hospitälern annehmen. Äthiopien steht für diese Entwicklung als besonders krasses Beispiel. 26 Prozent der Allgemeinmediziner gehen dort den wirklich Bedürftigen auf diese Weise verloren.

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