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  • 44. Montreux Jazz Festival

Ein perfekter Montagabend in Montreux

Starkes Programm am 5. Juli bei 44. Montreux Jazz Festival mit Tricky, Missy Elliott, Vampire Weekend und Strokes-Sänger Julian Casablancas

  • Christiph Nitz, Montreux
  • Lesedauer: 5 Min.
Julian Casablancas
Julian Casablancas

Der Montagabend - mit dem inoffiziellen Phil-Collins-Auftakt nun schon der fünfte des 44. Festivals - bot in beiden Sälen des Kongresszentrums ein hochkarätiges Programm. Nicht nur die Besitzer eines »All Music Pass« kamen schwer ins grübeln, welche der vier Top-Acts man sich ansehen sollte. Und nicht wenige pendelten zwischen Auditorium Stravinski und Miles Davis Hall.

Punkt acht Uhr ist das große Auditorium Stravinski fast menschenleer - nur einige hundert Fans warten auf Tricky, dessen neues Album am Sonnabend Journalisten exklusiv präsentiert wurde. Er gilt es einer der wichtigsten Vertreter des Trip-Hop und integriert in seine Titel auch Reggae, Rock und HipHop. Bei seinen Produktionen geben sich Künstler wie Alanis Morisette, Goldfrapp, P J Harvey oder Björk die Ehre, doch an diesem Montag in Montreux interessierte sich kaum einer für die Show. Da half es auch wenig, wenn er »I want Jesus to come« als Eröffnungsnummer wählte und immer wieder mit dem Mikro seinen Herzschlag einfangen wollte. Aber im Showgeschäft muss man alles geben: Tricky ist schon beim zweiten Titel oben ohne und raucht entspannt mit seinem Keyborder Gareth Bowen und überließ sein spärlich erschienenes Publikum der exzellenten Stimme von Francesca Belmont.

Draußen lockte praller Sonnenschein Zuschauer für die vielen Gratisangebote des Festivals und an den Essensständen standen Schlangen - gleich ob Hamburger, Tacos oder Bratwürste, Sushi, Waffeln oder Paella auf der Karte stand. »Musik im Park« bot mit einem kleinen Orchester Salsaklänge und nicht nur zu »Copacabana« wurde am frühen Abend draußen getanzt - sogar Vorübergehende wurden angesteckt und wagten ein paar Tanzschritte auf ihrem weiteren Weg in den Abend ...

Die Miles Davis Hall platzte zeitgleich zur Leere im Auditorum aus allen Nähten und Vampire Weekend gaben allen Grund gut gelaunt zu tanzen. Mit karibisch angehauchten Gitarrensounds, nach vorne treibenden Drums und einem fröhlich vor sich hin dudelnden Keyboard wurde hier die Party gefeiert, die eigentlich im großen Saal erwartet wurde. Vampire Weekend sind eine Indie-Truppe aus New York - wer das vorher noch nicht wusste, wurde daran durch den unverkennbar amerikanischen Akzent von Sänger Ezra Koenig erinnert, zur allerletzten Sicherheit trug Drummer Christoper Tomson noch ein »New York«-Shirt - die mit lustigen Titel wie »Cape Cod Kwassa Kwassa« und »A-Punk« zunächst in der Blogosphäre für Aufregung sorgten. Bei dem Quartett ist Mitklatschen Teil des vom Publikum zu absolvierenden Pflichtprogramms und bei deutlichen La Bamba-Anklängen erwartet man eigentlich, dass Ritchie Valens aus den Flugzeugtrümmern steigt und bei der munteren Feier mitmischen möchte. Man merkt dem munteren Quartett an, dass Kenig und Tomson an der Universität mit einem Comedy-Rap-Duo starteten. Fein galoppieren sie durch »Californian English« und treiben mit atemberaubend schnellen Gitarrenläufen durch den Abend. Koenig feuerte die Menge mit Kommentaren an, der nächste Song eigne sich am besten zum Tanzen, dies sei allerdings »no command, just an advice.« Immer nett diese Collegestudenten und für einen Scherz zu haben. Der letzte Hit »Cousins« wird abgeschossen und spätestens bei »One (Blake’s got a new face)« ist alles zu spät am Genfer See.

Auch die größere Halle des Kongresszentrums füllt sich gegen 22 Uhr langsam und DJ Freestyle Steve aka Steve Johnson zeigt in wenigen Minuten, warum er als Diskjockey neben Missy Elliott auch für viele anderen Hip Hop-Größen arbeitet, etwa für Hitproduzent Timbaland. »Montreux come on« und zumindest die im Auditorium Stravinski Versammelten gibt sich alle Mühe. Als schließlich aus einer fünfteiligen »Missy«-Kiste dieselbe auf die Bühne springt, muss man sich auch hier nicht mehr um den Fortgang der Party sorgen. Damit die Leute auch ordentlich springen lobt Elliott einen ihrer Turnschuhe als Preis aus. Mit einer zehnköpfigen Tänzertruppe und gesanglicher Verstärkung mit Sharaya Howell präsentiert sie sich gewohnt souverän und bühnenpräsent. Das Konzert dürfte für ihre anwesenden Fans sicherlich die Wartezeit auf ein neues Album verkürzt haben, denn seit mehreren Jahren wird immer wieder »Block Party« angekündigt.

Julian Casablancas zeigte derweil als würdige Reinkarnation von Iggy Pop und Performer in der Traditionslinie von Pete Doherty, dass man seinen Schwüren, inzwischen ein Leben ohne Alkohol zu führen, wenig Glauben schenken sollte. Der Strokes-Sänger mischte Material seiner Solo-Platte »Phrazes for the Young« mit Hits seiner Stammformation, die im kommenden Jahr wieder zusammen produzieren soll. Doch die Hits wurden in »fucked-up« Versionen serviert, den Hit »Ask me Anything« etwa fertigte er in einer starken Minute ab. Und weil auch dieser Amerikaner sich humormäßig nicht lumpen lassen möchte, gibt es ein Weihnachtslied »for fun in the summer« - »I Wish It Was Christmas Today« vom Soloalbum. Rock’n Trash serviert mit Punkattitüde at ist best - zur Zugabe ließen sich Casablancas und seine sechs Partners-in-Crime nicht lange bitten und skandierten mit dem Publikum erstmal »I want beer«. Jetzt fehlte nur ein Sprung ins Publikum und niemand sollte enttäuscht werden. Von unten dirigiert er seine Band auf der Bühne, gibt Anweisungen, fordert »I want the drums now« und entlässt sein begeistertes Publikum mit »Modern Times« in die laue Nacht.

Dort kann man im Park, im Montreux Jazz Café, auf der Tropical Terrasse oder im Studio 41 den perfekten Abend zu einer perfekten Nacht machen. Bis morgens um fünf Uhr pulsiert allnächtlich das Festival und am nächsten Nachmittag geht es weiter. Das Montreux Jazz Festival dauert noch bis zum 17. Juli.

Information: www.montreuxjazz.com

Auch nach fünf Jahren ohne neues Album zeigt Missy Elliott auch in Montreux, wo der Hio-Hop-Hammer hängt.
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