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Leseprobe
DDR-Frauen
Nach 1990 war Arbeitslosigkeit für die Töchter und Söhne der DDR eine schlimmere Demütigung als für Westdeutsche, die schon mit dem Bewusstsein aufgewachsen waren, dass es Arbeitslosigkeit gibt ... In der DDR hatte die Arbeit einen anderen Stellenwert. Sie wurde nicht immer geliebt, aber sie gehörte zum Leben. Und obwohl man ohne Angst vor Arbeitslosigkeit auch entspannter arbeiten konnte, wurde sie in mancher Hinsicht ernster genommen – das betonen gerade ältere Frauen aus dem Osten, deren Generation im Westen Deutschlands noch stark hausfraulich geprägt ist. Auch wenn sich nicht alle gleichermaßen mit ihrem Beruf identifizieren konnten, bedeutete Arbeit in der DDR doch Unabhängigkeit. Prekäre Jobs für die Frau als bloße Hinzuverdienerin waren politisch nicht gewollt. Außerdem war der gesellschaftliche Sinn der Arbeit leichter zu vermitteln – gerade weil es sich nicht um eine Überflussgesellschaft handelte.
In der BRD war und ist das Verhältnis von Schein und Sein in der Arbeitswelt ein anderes ... Als in den 70er und 80er Jahren das Stigma »Rabenmutter« für berufstätige Frauen mit Kindern an Bedeutung verlor, wurde es auf dem Arbeitsmarkt enger. Während die Gewerkschaften Arbeitszeitverkürzungen forderten, gaben Konservative den berufstätigen Frauen die Schuld. So etwas glaubten die Frauen im anderen Teil Deutschlands überwunden zu haben. Als ihr Staat aufhörte zu existieren, kam es zu ihnen zurück. In den 90er Jahren hatten viele Frauen schmerzliche Aha-Erlebnisse. Die Abwicklung der Volkswirtschaft der DDR verbannte sie nicht nur massenhaft aus dem Arbeitsleben, es wurde auch noch erwartet, dass sie sich diskret aus der Arbeitslosenstatistik verabschiedeten, indem sie sich mit der Hausfrauenrolle zufriedengaben.
Aus dem Vorwort von Claudia Wangerin: Die DDR und ihre Töchter. Das Neue Berlin. 207 S., br., 12,95 €).
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