Der »ewige Sieger« verliert an Macht
Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi ist längst nicht mehr der Strahlemann von einst
Die Fakten liegen auf der Hand. Jeden Tag verliert Silvio Berlusconi einen Teil seiner Macht und seines Rufes als »ewiger Sieger«. Das beginnt in seiner eigenen Partei »Volk der Freiheit«, die im März vergangenen Jahres gegründet wurde und die beiden Seelen der italienischen Rechten – »Forza Italia« und »Alleanza Nazionale« – vereinigte. Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini traten damals strahlend vor ihre Anhänger, doch ihr Lächeln ist längst gefroren. Fini, heute Präsident der Abgeordnetenkammer, beschuldigt Berlusconi öffentlich, die Partei wie ein Despot zu verwalten und keinen demokratischen Dialog zuzulassen. Dieser revanchiert sich mit Ausdrücken wie »Verräter«. Fini gründet innerhalb der Partei seine eigene Strömung, worauf Berlusconi droht, ihn auszuschließen. Die Freunde des Kammerpräsidenten erklären: »Wir haben genügend Abgeordnete hinter uns, um die Regierung zu stürzen«, doch bisher ist es nie zu einer Kampfabstimmung gekommen.
Im Norden des Landes verliert das »Volk der Freiheit« immer mehr Stimmen an den Bündnispartner »Lega Nord«. Die Lega stellt zwar wichtige Minister in Rom, präsentiert sich aber als Regierungs- und Oppositionspartei gleichermaßen. Für sich beansprucht sie das Monopol auf »Rechtschaffenheit« und »Volksnähe« und lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um »die in Rom« abfällig zu beurteilen.
Aber auch im Süden des Landes besteht innerhalb der Regierungsmehrheit alles andere als eitel Sonnenschein. In Sizilien hat sich das »Volk der Freiheit« sogar gespalten: Ein Teil ist in der Regionalregierung, der andere in der Opposition.
Dazu kommt, dass die Regierung und ihre Mehrheit in regelrechte »Interessenklüngel« aufgeteilt zu sein scheinen, die einander auch mit unlauteren Mitteln bekämpfen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass eine Gruppe von Berlusconi-Anhängern eine Akte mit frei erfundenen Skandalen über ein anderes Mitglied der Partei zusammengestellt hat, um den eigenen Mann auf einen bestimmten Posten hieven zu können. Die gleiche Gruppe soll auch versucht haben, Druck auf Richter und Staatsorgane auszuüben, um Urteile in eine ihr genehme Richtung zu lenken. Zu diesem Personenkreis, gegen den wegen »krimineller Vereinigung« ermittelt wird, gehören wohl unter anderem Denis Verdini, nationaler Koordinator der Partei »Volk der Freiheit«, Senator Marcello dell'Utri, kürzlich wegen Mafiaverbindungen zu sieben Jahren Haft verurteilt, und Staatssekretär Nicola Cosentino – mit engen Beziehungen zur Camorra. Alle diese Personen sehen sich der Forderung nach Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern ausgesetzt. Ob und wer dem Folge leisten wird, bleibt abzuwarten.
Zwei Minister mussten in den vergangenen Wochen aber bereits gehen. Der Verantwortliche für das Ressort Wirtschaftsentwicklung, Claudio Scajola, weil er unter dem Verdacht steht, sich von einem Bauunternehmer mit einer Luxuswohnung mit Blick auf das römische Kolosseum bestechen lassen zu haben. Und Aldo Brancher, seit 30 Jahren enger Mitarbeiter Berlusconis, der im Juni dieses Jahres plötzlich zum »Minister für die Durchsetzung des Föderalismus« ernannt wurde, wenige Tage später sein Amt aber wieder niederlegen musste, weil bekannt wurde, dass man ihn durch diese Ernennung vor einem Prozess wegen Korruption und Veruntreuung von Geldern bewahren wollte.
Man kann sich die Frage stellen, warum die italienische Regierung in so großen Schwierigkeiten steckt. Der Erklärungen gibt es mehrere. Einerseits sind die Kassen leer und es wird immer schwieriger, die eigene Klientel mit »Geschenken« zu bedienen. Zum anderen ist Silvio Berlusconi schon aus Altersgründen – er ist jetzt fast 74 Jahre alt – nicht mehr der unbesiegbare Strahlemann von einst. Er kann seine Leute offenbar nicht mehr zusammenhalten. Für einen Mann, der sein Image vor allem auf Entschlusskraft und persönliche Macht aufgebaut hat, kann es tödlich sein, wenn die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnt, dass die Ratten das sinkende Schiff verlassen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.