Armstrong wegen Steuergeldern unter Druck
Grand Jury nimmt Kontakt zu früheren Fahrern und Geschäftspartnern des Radsportlers auf
Im Mittelpunkt der Untersuchungen, die von dem legendären Ermittler Jeff Novitzky vorangetrieben werden, stehen weniger die Fahrer, die gedopt haben könnten. Weil der Vorwurf Betrug mit Steuergeldern lautet, wird vorrangig gegen jene Männer ermittelt, die das Geld des seinerzeit komplett staatlichen Postdienstes in das mutmaßliche Dopingprogramm steckten. Daher ist interessant zu wissen, wem das Team gehörte.
Armstrong und sein Umfeld versuchen derzeit, in dieser Frage in Deckung zu gehen. Gegenüber der »New York Times« wehrte Armstrong am Mittwoch ab, jemals Miteigentümer des Teams US Postal oder der Besitzer-Gesellschaft Tailwind Sports gewesen zu sein. »Das war nicht meine Firma. Ich hatte keine Anteile. Ich war ein Fahrer im Team, das ist alles«, erklärte er.
Freilich täuscht ihn hier sein Gedächtnis. Während einer Gerichtsverhandlung im Jahr 2005, in der es darum ging, ob ein Sponsor Armstrong zu Recht die Prämienzahlung für den siebten Toursieg verweigerte, weil der im Ruch des Dopings stand, erzählte Armstrong, ihm gehörten zehn Prozent von Tailwind Sports. Wann er sie erwarb, entzog sich damals seiner Erinnerung.
Diese Aussage versucht Armstrongs Entourage nun umzuformen und zu relativieren. Sein langjähriger Freund und Geschäftspartner Mark Higgins erklärte während der Tour de France gegenüber ND am Radioshack-Team- bus in Sisteron, dass Armstrong erst im Jahr 2007 Anteile an Tailwind Sports erhielt. Higgins verweist auf eine Erklärung von Armstrongs Anwalt Tim Herman. Danach habe der Verwaltungsrat von Tailwind Sports im Jahr 2004 beschlossen, Armstrong Anteile zu übergeben. Geschehen sei dies aber erst 2007.
Diese Unbestimmtheiten im finanziellen Bereich des Mr. Perfect des Radsports überraschen. Nicht eben Beleg für Seriosität ist auch die Tatsache, dass die von Armstrongs Compagnon Mark Higgins geleitete Firma CSE kurz nach Veröffentlichung des »New York Times«-Artikels zu den finanziellen Strukturen bei Team US Postal just die Information von ihrer Website tilgte, in der sie stolz bekannte, das jährliche Budget von 18 Millionen Dollar von US Postal gemanagt zu haben. Jetzt möchte CSE nur noch eine Firma sein, die den Nachfolgerennstall Discovery Channel betreut hat. Dort waren keine staatlichen Gelder mit im Spiel; es droht keine strafrechtliche Dopinguntersuchung.
Dass die Wahrheit noch ein ganz anderes Gesicht haben könnte, wird im Gespräch mit Frankie Andreu deutlich. Der ehemalige Teamgefährte Armstrongs – er half ihm bei dessen ersten beiden Toursiegen – begleitet heute als TV-Journalist die Tour. Er gab nach Karriereende zu, sich mit EPO-Doping präpariert zu haben. Andreu sagte ND in Sisteron: »Ich war ein einfacher Fahrer bei US Postal. Lance war meiner Erinnerung nach Miteigner des Teams.«
Dies entspricht auch der Erinnerung vieler anderer Radsportkenner. Die Jagd nach der Wahrheit hat begonnen. Manch längst vergessen geglaubter Schmutz wird aufgewirbelt. Die Verhältnisse in der US-Radsportszene, in der Armstrong und seine Geldgeber nach Gutdünken herrschten, kommen jetzt auf den Tisch. Der Investmentbanker Thom Weisel, seit den frühen 90ern ein großer Förderer von Armstrong, dem Tailwind Sports gehörte und der US Postal aufbaute, war auch der Arbeitgeber für den Chef des US-Radsportverbands Steve Johnson. Johnson sorgte laut einem Artikel des »San Francisco Chronicle« dafür, dass 2005 in den USA keine Untersuchung der von der Zeitung »L'Equipe« im gleichen Jahr publizierten Dopingsverdachtsmomente gegen Armstrong stattfinden sollte. Spannender als die aktuelle Tour de France wird es zu verfolgen, wie lange das korrupte Netz von Armstrongs Unterstützern dem Druck der Ermittler standhält.
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