Angestellt als Taubenschreck

Die Stadt Nördlingen bezahlt einen besonderen Kirchturmwächter

  • Jutta Olschewski, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Summe von 250 bis 300 Euro verbucht die schwäbische Stadt Nördlingen jährlich für Katzenfutter. Hinter dem Haushaltsposten »Geschäftsaufgabe-Taubenabwehr« verbirgt sich das Dosenfutter für die bunt gescheckte Katze »Wendelstein«.

Nördlingen. »Wendelstein« kann nicht erzählen, wie viele Treppenstufen sie täglich läuft. Es müssen viele tausend sein, denn allein schon 350 Stufen legt die Katze zurück, wenn sie zu ihrem Futternapf in der Türmerstube will. Hoch oben im Kirchturm »Daniel« im schwäbischen Nördlingen lebt die dreifarbig gescheckte Katze seit Anfang des Jahres mit den Türmern des 90 Meter hohen Wahrzeichens der Stadt.

Jung, neugierig und hungrig kam sie vor wenigen Monaten die Stufen hinaufgelaufen und blieb, nachdem sich Turmwächter Günther Burger bei ihr mit einer Dose Heringsfilet in Tomatensoße beliebt gemacht hatte.

Weniger Schmutz

Burger erzählt, dass sich »Wendelstein« ganz ausgezeichnet mit den vielen Touristen verstehe, die täglich auf den »Daniel« der evangelischen St. Georgskirche steigen. Manchmal begleite sie eine japanische Reisegruppe oder ein paar Italiener auf dem Abstieg bis zur Eingangspforte nach unten.

Aber »Wendelstein« unternimmt ihre Ausflüge nicht nur zum Spaß. Sie habe auch einen Dienst zu erledigen, erzählt Burger. Sie soll die Tauben erschrecken, die auf den Treppen und auf den Balken des Dachgestühls viel Schmutz hinterlassen. Weil die Vögel vor der Katze Reißaus nehmen, sei seit ihrem Einzug der Turm sauberer, stellt Burger fest.

Dankbar zahlt die Stadt Nördlingen nun der jungen Katze ein »Gehalt«: 250 bis 300 Euro habe man im Haushalt für das Katzenfutter veranschlagt, sagt Klaus Feldmeier von der Stadtkämmerei. Der Posten heißt offiziell »Geschäftsaufgabe-Taubenabwehr«. Die Stadt übernimmt diese Kosten, weil sie für den Unterhalt des Kirchbaus zuständig ist.

Nur das gesündeste und hochwertigste Fressen kaufe er für das Tier, sagte Burger. Dennoch steigen immer wieder Tier-Freundinnen aus der Stadt in die Turmstube und bringen Leckereien vorbei. »Die trauen unserem Männerhaushalt wohl nicht zu, dass wir ein Haustier gut behandeln«, sagt Burger, der sich mit vier Kollegen im Wachdienst abwechselt. Der Nördlinger Kirchturm ist das ganze Jahr über besetzt.

Ein historischer Name

Der kräftige, gut trainierte Turm-Tiger begleitet Turmwächter Burger auch auf den Aussichtskranz. Während sich Burger dort für das Wetter interessiert oder seinen Wachruf über die Dächer der Stadt hallen lässt, spaziert »Wendelstein« auf dem Geländer in 90 Metern Höhe herum.

Auf den ungewöhnlichen Namen für die Katze sind die Türmer gekommen. Historisch bewandert wussten sie, dass früher die Bürger der Stadt ihren 1490 fertiggestellten Kirchturm der evangelischen St. Georgskirche »Wendelstein« nannten. Erst nach einer beeindruckenden Predigt eines Pfarrers über den biblischen König Daniel bekam der Turm seinen heutigen Namen. »Wendelstein« selbst ist das völlig egal, denn gerade muss sie mit Jenny aus Neuseeland die Treppe hinunterlaufen.

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