Eine Kette verliert Gelb
Alberto Contador erobert von Andy Schleck die Führung im Gesamtklassement der Tour
Bagneres de Luchon
Ein Kettenschaden hat möglicherweise die Tour de France entschieden. Ausgerechnet in dem Moment, in dem Andy Schleck mit einen furiosen Antritt einige Meter auf Alberto Contador gewonnen hatte und ihm nur dessen kasachischer Teamgefährte Alexander Winokurow zu folgen vermochte, sprang die Kette vom Specialized-Rad des Luxemburgers. Contador nutzte die Situation und flog an dem betrübten Mann in Gelb vorbei. Als sonderlich fair erwies sich der Spanier dabei nicht. Der Ruf »Ulle hätte gewartet«, flog in Erinnerung an den einstigen deutschen Helden Jan Ullrich in vielen Sprachen durch das Pressezentrum.
So nutzte Contador die Panne seines Kontrahenten eiskalt, holte sich das gelbe Leibchen und liegt in der Gesamtwertung nun acht Sekunden vor Schleck. »Alberto konnte gar nicht anders, als in dem Moment mitzugehen, weil es Menschow und die anderen auch taten. Alle gaben 100 Prozent«, versuchte Contadors Teamkollege Winokurow die Attacke zu rechtfertigen.
Vor diesem Adrenalinstoß, der sich zwei Kilometer vor dem Gipfel des Port de Bales ereignete, dem letzten Anstieg, war die 15. Etappe der Tour de France weitgehend von einer Zockerei zwischen Schleck und Contador geprägt. Sie wichen einander kaum von der Seite. Jeder beobachtete die Art und Weise, in der der andere die Pedalen bewegte, wie der Oberkörper sich beugte, wo die Schultern hingen. Details wie diese geben einen größeren Aufschluss über die körperliche Verfassung als ein Blick ins Gesicht. Rennfahrer dieses Niveaus haben es gelernt, ihr Antlitz in eine Maske zu verwandeln, um jede verräterische Spur einer Erschöpfung zu tilgen.
Den lange anhaltenden Waffenstillstand der beiden Favoriten nutzte ab Kilometer 90 eine zehnköpfige Ausreißergruppe. Bis auf zehn Minuten hatten sie den Vorsprung eingangs der Steigung zum Port de Bales schon ausgebaut, auf dem 19,3 km langen Anstieg aber schmolz ihr Polster dahin. Team Saxo Bank, die Mannschaft des zu diesem Zeitpunkt noch Gesamtführenden Andy Schleck, stellte sich dieses Mal der Verantwortung, die ein gelbes Trikot mit sich bringt, und spannte sich vor das Hauptfeld. Die Helfer des Luxemburgers hatten 5 km vor dem Gipfel aber alle ihre Körner verschossen.
Hier übernahm Schleck. Bei seinem zweiten Antritt aber, der schon eine Lücke zu Contador riss, rutschte ihm die Kette vom Blatt.
Acht Kilometer vor dem Gipfel löste sich der französische Meister Thomas Voeckler aus der Führungsgruppe. Er war die ganze Zeit über der große Motivator dieser Gruppe. Er redete jedem zu, seinen Teil der Führungsarbeit zu übernehmen. Der BBox-Profi wollte unbedingt die Tricolore, die er am Leib trug, mit einem Etappensieg bei der Landesrundfahrt ehren. Dies gelang ihm eindrucksvoll.
Tour de France, 15. Etappe, Pamiers nach Bagneres de Luchon (187 km): 1. Thomas Voeckler (Frankreich/Bbox) 4:44:51 h, 2. Alessandro Ballan (Italien/BMC) 1:20 Minuten zurück, 3. Aitor Perez (Spanien/Footon) gleiche Zeit, 4. Lloyd Mondory (Frankreich/AG2R) 2:50, 5. Luke Roberts (Australien/Milram), 6. Francesco Reda (Italien/Quick Step), 7. Alberto Contador (Astana), 8. Samuel Sanchez (beide Spanien/Euskaltel), 9. Denis Mentschow (Russland/Rabobank), 10. Brian Vandborg (Dänemark/Liquigas) alle gl. Zeit, ... 12. Andy Schleck (Luxemburg/Saxo Bank) 3:29Gesamtwertung (Gelbes Trikot): 1. Contador 72:50:42 Stunden, 2. Schleck 0:08 Minuten zurück, 3. Samuel Sanchez 2:00, 4. Mentschow 2:13, 5. Jurgen van den Broeck (Belgien/Omega Pharma-Lotto) 3:39, 6. Robert Gesink (Niederlande/Rabobank) 5:01, 7. Levi Leipheimer (USA/RadioShack) 5:25, 8. Joaquin Rodriguez (Spanien/Katjuscha) 5:45, 9. Alexander Winokurow (Kasachstan/Astana) 7:12, 10. Ryder Hesjedal (Kanada/Garmin) 7:51
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