»Das ist einfach Kalter Krieg«
Bodo Ramelow über die LINKE im Visier des Verfassungsschutzes
Ab heute befasst sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit der andauernden Bespitzelung der LINKEN durch den Verfassungsschutz. Bodo Ramelow, Thüringer Fraktionschef der LINKEN, klagte in eigener Sache bereits erfolgreich gegen die Schlapphüte und hofft nun, dass die Leipziger Richter dem Bundesamt auch die Beobachtung der Partei untersagen. Im ND-Interview äußert er sich zu den Hintergründen des Verfahrens.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat dem Verfassungsschutz bereits im vergangenen Jahr endgültig untersagt, Sie weiter zu bespitzeln. Trotzdem stehen Sie heute in Leipzig wieder vor Gericht. Wieso?
Wenn es nur um mich gegangen wäre, hätte ich mich zurücklehnen können. Aber das Oberverwaltungsgericht hat auch eine Entscheidung getroffen, die überhaupt nicht zur Verhandlung stand. So finden sich im Urteil Leitsätze, die das Recht des Verfassungsschutzes abdecken sollen, einzelne Mitglieder meiner Partei oder die ganze Bundestagsfraktion zu erfassen und auszuspionieren.
Das heißt, alle Mitglieder der LINKEN – außer Bodo Ramelow – dürfen beobachtet werden ?
Bisher war es so, dass alle Bundestagsabgeordneten der LINKEN zumindest erfasst waren. Dies ergab eine Anfrage aller 53 Parlamentarier in der vergangenen Legislaturperiode. In allen 53 Fällen wurde eine Erfassung durch das Bundesamt bestätigt. Als ich innerhalb eines von mir in Gang gesetzten Prozesses beim Bundesamt nachgefragt habe, waren alle lückenlos erfasst. Und das war der Grund für mich zu sagen, es reicht mir nicht, dass nur ich vom Gericht bestätigt bekomme, dass mich der Verfassungsschutz nicht mehr überwachen darf. Ich halte es für unzulässig, eine Gesamtpartei ohne Anlass unter Generalverdacht zu stellen.
Und das Bundesverwaltungsgericht kann der Bespitzelung ein Ende setzen?
Ich erhoffe mir natürlich auch eine politische Wirkung. Aber ich denke, dass juristisch erst einmal zu klären ist, ob der Teil der Fehlentscheidung von Münster aufgehoben wird.
Vor wenigen Wochen hat Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm nachgelegt und behauptet, es gebe Bestrebungen innerhalb der Linkspartei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Namentlich hat er auch die Kommunistische Plattform erwähnt. Stehen denn die Genossen dort mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes?
Man muss Herrn Fromm darauf aufmerksam machen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung eine Schimäre ist, die es gar nicht gibt. Es gibt ein Grundgesetz. Und dieses Grundgesetz bildet die Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland. Und da heißt es im Artikel 15, dass Verstaatlichung und Vergesellschaftung ein legitimes Mittel sind, um etwa Macht und Monopole aufzubrechen. Das ist mittlerweile auch von Frau Merkel im Falle der Hypo Real Estate praktiziert worden. Wenn es den Reichen dient, dann greift man zur Verstaatlichung, ohne dass Frau Merkel vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wenn Sahra Wagenknecht aber darüber redet, dass einseitige Finanzmacht zu Verheerungen in der Gesellschaft führt, dann gilt sie als jemand, der observiert werden muss. Das ist einfach Kalter Krieg.
Offenbar kennen die Verfassungshüter jene Verfassung, die sie vorgeben zu schützen, nicht genau.
Davon muss man ausgehen. So war Frau Merkel in der vergangenen Woche an der Parteihochschule der KP Chinas. Die Medien waren begeistert, dass die Kanzlerin im politischen Machtzentrum der Partei eine Rede gehalten hat. Während des Parteibildungsprozesses zwischen WASG und PDS war eine Professorin von eben dieser Parteihochschule in Deutschland und hat sich mit uns unterhalten. Natürlich auch mit dem Parteibildungsbeauftragten, also mit mir. Wir haben dazu eine Pressekonferenz abgehalten und ein Pressekommuniqué veröffentlicht. Die Professorin war anschließend auch bei einem der Gründungsparteitage anwesend. Offenbar wollte man an der Parteihochschule wissen, was da zwischen PDS und WASG passiert.
Zu meiner großen Überraschung fanden sich die Kontakte zur Professorin in meiner Verfassungsschutzakte wieder. Ist die öffentliche Debatte mit Vertretern der KP Chinas schon verfassungsschutzverdächtig? Dann möchte ich wissen, wie man jetzt mit Frau Merkel verfährt. Fragen: Fabian Lambeck
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.