Milram steigt ab
Teammanager und Fahrer organisieren die kommende Saison
»Wir haben gut gekämpft«. Das war der Kernsatz jeder Pressemitteilung, die vom Team Milram in den vergangenen zwei Jahren verschickt wurden. Ab heute kämpft bei dem Rennstall jeder vornehmlich für sich. Die gemeinsame Plattform ist zerbrochen. »Ich habe keinen neuen Sponsor finden können. Die Fahrer sind jetzt frei, sich um ihre eigene Zukunft zu kümmern«, sagte Teammanager Gerry van Gerwen. Der bisherige Titelsponsor Nordmilch stellt erwartungsgemäß seine Unterstützung zum Saisonende ein. Das Unternehmen hat seine Marketingziele erreicht. »Das Engagement verzeichnete jährlich Mediagegenwerte zwischen 50 und 60 Millionen Euro und trug mit dazu bei, dass der Bekanntheitsgrad der Marke Milram Deutschland heute bei über 90 Prozent liegt«, heißt es in einer Pressemitteilung aus Bremen. Um auf 91 oder 92 Prozent Bekanntheit zu kommen, sind acht Millionen Euro – so viel investierte Nordmilch pro Jahr – für 2011 offensichtlich zu viel Geld.
Die Trauer über das Ende von Milram war bei den Journalisten, die sich zum Hotel Campanile in der Industriezone von Tarbes eingefunden hatten, fast größer als bei den Fahrern. Die Tourteilnehmer sind durchweg optimistisch, Verträge bei anderen Rennställen zu erhalten. Linus Gerdemann wird mit dem Projekt der Luxemburger Schleck-Brüder in Verbindung gebracht. Sprinter Gerald Ciolek ist in Gesprächen mit seinem alten Rennstall Columbia. Klassikerspezialist Fabian Wegmann, der seine Karriere bisher ausschließlich bei deutschen Rennställen verbracht hat, lässt seinen Manager diverse Optionen sondieren. »Was ändert sich schon groß für mich? Ich werde die gleichen Leute sehen und an den gleichen teilnehmen«, meinte er. Wegmann bedauerte allerdings, dass »wahrscheinlich ein paar deutsche Rennen weniger darunter sein werden«.
Für den deutschen Radsport stellt das Aus des letzten einheimischen Pro-Tour-Rennstalls eine Zäsur dar. »Es gibt zwar in jedem Team Platz für junge Fahrer. Aber dort richtet man sich natürlich nach den Interessen des Sponsors«, bemerkt Wegmann. Deutsche Talente brauchen deutsche Sponsoren. Oder zumindest Sponsoren, die am deutschen Markt interessiert sind.
Genau aus dieser Überlegung speist sich die letzte Hoffnung van Gerwens. »Deutschland ist ein Kernland in Europa. Alle Welt macht Geschäfte mit Deutschland«, meint er. Da müsse sich doch jemand finden, der die Plattform Profiradsport nutzen will, findet er. Für diesen Fall will van Gerwen auch über das Saisonende hinaus den Betrieb am Laufen halten. »Ich werde mich bei der UCI um eine neue Lizenz bewerben.«
Seine Tochter Marlies, die neben ihm sitzt und für die Buchführung verantwortlich ist, strahlt eine Entschlossenheit aus, die jene der gesamten männlichen Belegschaft des Rennstalls um das Zigfache übersteigt. »Bis zum 15. August müssen wir die Lizenz beantragen und im Oktober das Personal vorstellen«, sagt sie. Am 10. Dezember fällt die UCI die Entscheidung. Die Profis, die jetzt für Milram fahren, werden dann aber meist schon woanders unterschrieben haben. Wenn der Sponsor da ist und die UCI die Lizenz erteilt, fehlt es womöglich an geeignetem Fahrerpersonal. Immerhin, jetzt ist es der Manager, für den der Kernsatz der typischen Milram-Pressemitteilung gilt.
Deutsche Profi-Radsportteams seit der Wiedervereinigung
Team Telekom 1991-2003
Team T-Mobile 2004-2007
Team Gerolsteiner 1998-2008
Team Milram 2006-2010
Gesamtwertung vor der 17. Etappe: 1. Contador (Spanien/Astana) 78:29:10 h, 2. Schleck (Luxemburg/Saxo Bank) + 0:08 min, 3. Sanchez (Spanien/Euskaltel) + 2:00, 4. Mentschow (Russland/Rabobank) + 2:13, 5. van den Broeck (Belgien/Omega Pharma-Lotto) + 3:39, 6. Gesink (Niederlande/Rabobank) + 5:01, 7. Leipheimer (USA/Radioshack) + 5:25, 8. Rodriguez (Spanien/Katusha) + 5:45, 9. Winokurow (Kasachstan/Astana) + 7:12, 10. Hesjedal (Kanada/Garmin-Transitions) + 7:51 ...16. Klöden (Kreuzlingen/Schweiz/Radioshack) + 11:14, 50. Niermann (Hannover/ Rabobank) + 1:22:07 h, 79. Lang (Erfurt/Omega Pharma-Lotto) + 2:06:55, 84. Gerdemann (Münster/Milram) + 2:11:53, 88. Fröhlinger (Freiburg/Milram) + 2:17:07, 90. Knees (Euskirchen/Milram) + 2:22:33, 112. Wegmann (Freiburg/Milram) + 2:46:47, 122. Voigt (Berlin/Saxo Bank) + 2:50:58, 124. Ciolek (Pulheim/Milram) + 2:52:45, 129. Hondo (Cottbus/Lampre) + 2:56:56, 141. Martin (Schwalbach/HTC-Columbia) + 3:04:19, 168. Klier (Denderwindeke/Belgien/Cervelo) + 3:38:41, 169. Burghardt (Steinmaur/Schweiz/BMC) + 3:42:51, 172. Grabsch (Kreuzlingen/HTC-Columbia) +3:55:10.
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