Überteuertes Bauprojekt in Wiesbaden geplatzt
Vorerst keine private Partnerschaft mit einem Baulöwen / Jamaika-Koalition am Ende
Sommer, Urlaub und bis vor kurzem die Fußball-WM – für politische Akteure eine gute Zeit, um in aller Hast hinter dem Rücken der Öffentlichkeit umstrittene Beschlüsse durchzupeitschen. So auch in der bislang von einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen regierten hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, wo das Stadtparlament nach dem Willen von Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) ohne gründliche Prüfung ein millionenschweres »PPP«-Bauprojekt für eine Sporthalle in der Innenstadt durchwinken sollte, also ein sogenanntes Projekt in »öffentlich-privater Partnerschaft«. Zeit zum Studieren der kurzfristig ausgeteilten umfangreichen Vorlage hätten die Stadtverordneten kaum gehabt.
Doch aus der Sache wurde vorerst nichts. Die für den 1. Juli anberaumte Sondersitzung wurde abgeblasen, nachdem die Lokalpresse Details der PPP-Verträge veröffentlichte und Akteure aus SPD und Grünen, die das Projekt ursprünglich dulden wollten, plötzlich »kalte Füße« bekamen und auf Widersprüche in dem zentimeterdicken Vertragswerk stießen. Eine weitere Sondersitzung des Stadtparlaments Ende letzter Woche kippte die PPP-Pläne fürs erste.
Konkret geht es um den zentral gelegenen Verkehrsknoten »Platz der Deutschen Einheit«. Die hier vorgesehene Sporthalle für ein Gymnasium soll nach dem Willen der Planer auch dem örtlichen, mit seiner Damenmannschaft in die Bundesliga aufgestiegenen Volleyballklub VCW zur Verfügung stehen. Wegen der notwendigen »Bundesligatauglichkeit« erhöhte sich die geplante Bausumme rasch von neun auf 16,5 Millionen Euro. Nach einem Architektenwettbewerb sollte der bayerische Baukonzern Max Bögl laut Vertragsentwurf die Halle bauen und für die Benutzung von der Stadt jährlich 2,5 Millionen Euro Miete kassieren, im ersten Jahr sogar 4,59 Millionen Euro. Damit hätte die Stadt einschließlich Betriebskosten und Ausgaben für die Neugestaltung des Platzes über 30 Jahre rund 95 Millionen Euro aufbringen müssen – zum Nutzen von Max Bögl, der bundesweit etliche PPP-Projekte realisiert hat. Die aufgebrachten Mittel aus den Etats für Sport und Schulen hätten anderswo – etwa bei der Sanierung maroder Schulhäuser – gefehlt.
Solche Fakten brachten SPD und Grüne, die ursprünglich das PPP-Projekt hinnehmen wollten, zum Nachdenken. Die Grünen sind seit 2006 in eine Rathauskoalition mit CDU und FDP eingebunden. Die SPD wollte nun prüfen lassen, ob ein Bau der Halle durch eine städtische Gesellschaft nicht billiger wäre. Dies hat der ehrenamtliche Mitarbeiter der Rathausfraktion Linke Liste, Manuel Mergen, schon getan: »Nach einfacher Zinsrechnung wäre bei Baukosten von 20 Millionen Euro, einem Kredit zu einem Zinssatz von fünf Prozent und einem von der Stadt als Jahresmiete geplanten Betrag von 2,5 Millionen Euro der gesamte Betrag in zehneinviertel Jahren abbezahlt«, rechnet Mergen vor.
Um den Druck auf das Stadtparlament zu erhöhen, hatten Linke Liste und Wiesbadener LINKE seit Anfang Juli viele tausend Flugblätter verteilt und mit einer Mahnwache das Bürgerbegehren »Kein teures PPP am Platz der deutschen Einheit« gestartet. Dieser Druck, so LiLi-Fraktionschef Hartmut Bohrer, habe Wirkung gezeigt und den »gigantischen Raubzug auf den städtischen Haushalt verhindert«. Nachdem die PPP-Magistratsvorlage im Stadtparlament keine Mehrheit fand, soll bis 15. September geprüft werden, ob Max Bögl die Halle bauen und die Stadt das abgespeckte Gesamtprojekt einer Sporthalle danach in Gänze übernehmen kann. Vorsorglich will die Linke Liste wachsam bleiben, »damit dieses PPP-Projekt weder vor noch nach dem 15. September wieder auflebt«.
Mit der vorläufigen Verhinderung des PPP-Projekts steht nun – sieben Monate vor der hessischen Kommunalwahl – auch das Wiesbadener Jamaika-Bündnis vor dem Ende. Aus Wut über die letztendliche Anti-PPP-Haltung von SPD und Grünen beklagte CDU-Fraktionsvize Hans-Martin Kessler bereits ein »rot-rot-grünes Bündnis« im Rathaus. Die SPD wittert Morgenluft und sieht sich in ihrer Zielsetzung bestärkt, bei der nächsten Kommunalwahl stärkste Fraktion werden zu wollen. Wie realistisch solche Erwartungen sind, wird sich spätestens bei der Wahl am 27. März 2011 zeigen.
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