Das Schicksal von L'Oréal ist Chefsache im Elysée

Beim Bettencourt-Skandal geht es auch um den Kosmetikkonzern

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit einem zweistündigen Verhör der Konzernerbin Liliane Bettencourt am Montag und einem für die nächsten Tage angekündigten Verhör des Arbeitsministers Eric Woerth geht der nach beiden benannte französische Parteispenden- und Steuerskandal in die nächste Runde.

Der Vorgang beschäftigt das Elysée-Palais und Präsident Nicolas Sarkozy in höchstem Maße. Das liegt nicht nur an den Schatten, die die Enthüllungen auf die Rolle der Regierungspartei UMP und ihres langjährigen Schatzmeisters, des heutigen Arbeitsministers Woerth, wirft. Über die Steuerhinterziehung der Konzernerbin Liliane Bettencourt sah man jahrelang geflissentlich hinweg und ihre üppige Bargeldspenden kassierte man gern. Doch als Liliane Bettencourts Tochter Françoise 2007 Anzeige gegen den Erbschleicher François-Marie Banier, einen engen Freund ihrer Mutter, erstattete und die 87-jährige Frau wegen geistiger Schwäche und Abhängigkeit unter Vormundschaft stellen lassen wollte, schellten im Elysée die Alarmglocken.

Schließlich ging es auch um das Schicksal des Kosmetikkonzerns L'Oréal. Dessen größter Aktionär ist die Familie Bettencourt – vor dem Schweizer Nestlé-Konzern. Und bislang galt als ausgemacht, dass die Aktienmehrheit und die Konzernführung in der Familie bleiben, womit sich Nestlé auch einverstanden erklärte. Dass Banier, der sich schon mehr als 900 Millionen Euro von Liliane Bettencourt hat schenken lassen, auch eine Adoption durch sie anstrebte, um ihr Universalerbe zu werden, warf alle Kalkulationen über den Haufen.

Doch Banier ist offenbar nicht die größte Gefahr für das Elysée. Mit einem Gauner würde man schon fertig werden, indem man seine Ansprüche zu gegebener Zeit für rechtlich unbegründet erklären lässt. Dagegen könnte die Tochter Françoise Bettencourt-Meyers zu einer echten Bedrohung werden, sollte sie sich hilfesuchend an Nestlé wenden und dafür den Schweizern zusagen, ihnen später einen Teil der L'Oréal-Aktien aus ihrem Erbe zu verkaufen und die Vorherrschaft über den Konzern zu überlassen. Darum wurde Liliane Bettencourt in den vergangenen drei Jahren mehrmals von Sarkozy im Elysée empfangen und ihr Vermögensverwalter Patrice de Maistre stand in engem Kontakt zum juristischen Berater des Präsidenten, der durch Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Klage von Françoise Bettencourt-Meyers gegen ihre Mutter betrieb.

Dem Elysée wäre es lieber, alles liefe weiter wie bisher. Denn L'Oréal ist nicht nur eines der erfolgreichsten Unternehmen Frankreichs, sondern es arbeitet auch seit Jahren daran, französisch zu bleiben. So wird Jahr für Jahr mehr als die Hälfte des Gewinns, der sich 2009 auf 1,3 Milliarden Euro netto belief, dazu verwendet, auf dem Markt eigene Aktien aufzukaufen – und zu vernichten. So werden die frei gestreuten Anteile reduziert und der Anteil der Familie hat sich von 27,5 Prozent im Jahre 2004 auf heute 31 Prozent erhöht. Jener des Nestlé-Konzerns, der mitspielt, stieg von 26,4 auf 29,8 Prozent. Geht das so weiter, hat die Familie Bettencourt in zwei bis drei Jahren die Sperrminorität von 33,3 Prozent erreicht. Vorausgesetzt, alles bleibt in einer Hand.

Im Moment ist man in der Konzernzentrale im Pariser Vorort Clichy nach Kräften bemüht, nichts über Firmeninterna nach außen gelangen zu lassen. Die Affäre Bettencourt sei ein privater Konflikt und habe nichts mit dem Unternehmen zu tun, jeder Mitarbeiter habe an seinem Arbeitsplatz sein Bestes zu geben und möglichst jeden Kontakt mit Journalisten zu meiden, heißt es in einem Rundbrief, der allen Mitarbeiter verlesen wurde und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen in die Presse gelangte.

Der Konzern arbeitet seit vielen Jahren systematisch daran, L'Oréal als vorbildliches Unternehmen zu präsentieren. Beispielsweise werden Förderpreise an Forscher, insbesondere Frauen und Nachwuchstalente aus Entwicklungsländern, vergeben. Gerne stellt man auch die »ethischen Prinzipien« des Konzerns heraus. So hat man sich verpflichtet, im eigenen Unternehmen und in den Zulieferbetrieben im Ausland keine Diskriminierung von Frauen oder Minderheiten, keine Kinderarbeit, keine moralische Erniedrigung, keine Ungerechtigkeit bei Bezahlung und Arbeitszeit zuzulassen.

Doch wie L'Oréal-Mitarbeiter anonym in den Medien berichten, gehört es zu den Grundprinzipien, eine Abteilung gegen die andere und einen Unternehmensbereich gegen den anderen auszuspielen, um durch bewusst geschürte Konkurrenz und Zukunftsangst ein Maximum aus den Mitarbeitern herauszuholen. So wurde extra ein zweiter Unternehmenssitz in New York gegründet, um den Wettbewerb zwischen Werken des Konzerns in Europa und Amerika, zwischen verschiedenen Marken und Produktfamilien und damit zwischen den Mitarbeitern anzuheizen.

Zu den ethischen Grundsätzen gehört angeblich auch ein »faires Verhältnis zu den Zulieferern«. Wie es tatsächlich zugeht, davon können die Mitarbeiter des unlängst von L'Oréal aufgekauften Unternehmen YSL Beauté in Lassigny bei Paris berichten, wo bewährte Verfahren und Produkte verworfen, erfahrene Abteilungsleiter durch Jungmanager des Mutterkonzerns abgelöst und 150 von 870 Mitarbeitern »freigesetzt« wurden. Noch schlimmer erging es dem Zulieferunternehmen Favidema in Spanien, dem L'Oréal nach mehr als 50 Jahren Zusammenarbeit im Frühjahr alle Verträge kündigte und dies mit »Krisenfolgen« begründete. Da 80 bis 90 Prozent der Produktion von L'Oréal abhingen, ging das Unternehmen in Konkurs. Einen Prozess gegen L'Oréal, um wenigstens Abfindungen für die Belegschaft zu erstreiten, verlor der spanische Betrieb. Dafür ließ der L'Oréal-Direktor für Ethik von sich hören und erklärte, der Konzern werde minutiös darauf achten, dass alle entlassenen spanischen Mitarbeiter die ihnen zustehende Abfindung erhalten – von Favidema.

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