Nichi Vendola sagt Berlusconi den Kampf an

»Mann mit dem Ohrring« will Premier Italiens werden

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Nichi Vendola, Präsident der Region Apulien im Süden Italiens, will Ministerpräsident des Landes werden. Er hat angekündigt, an den Vorwahlen teilzunehmen, in denen die oppositionelle Demokratische Partei ihren Kandidaten bestimmt.

Nichi Vendola ist ein ungewöhnlicher Politiker. Sonst wäre er sicherlich nicht auf die Idee gekommen, ein Treffen seiner Anhänger »Eyjafjallajökull« zu nennen. Doch er sieht sich und seine Partei »Sinistra, Ecologia e Libertà« (Linke, Ökologie und Freiheit), kurz SEL, die landesweit noch nicht einmal vier Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen könnte, wie den kleinen isländischen Vulkan, der mit seinem Ausbruch halb Europa aufgewühlt hat. Und er hat erklärt: »Ich werde an den Vorwahlen teilnehmen, die von der Demokratischen Partei organisiert werden, um ihren Kandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten in Rom zu küren.«

Tatsächlich hat der 52-jährige Präsident von Apulien mit Vorwahlen, an denen jeder unabhängig von seinem Parteibuch teilnehmen kann, bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Gleich zwei Mal hat er sich in seiner Region erst gegen den offiziellen Kandidaten der Demokratischen Partei durchgesetzt und dann auch noch die Wahlen selbst gewonnen – und das, obwohl das gesamte politische Establishment von links bis rechts davon überzeugt war, dass ein erklärter Homosexueller und Katholik, ein Kommunist, der Gedichte schreibt und Philosophie studiert hat, gerade in Süditalien nicht die geringste Chance hat. Aber seit über fünf Jahren regiert er Apulien mit einer Koalition, die alle Mitte-Links-Parteien vereint.

Schon jetzt hat Nichi Vendola das Lager der Opposition gegen Silvio Berlusconi aufgewühlt. Es häufen sich die Erklärungen für, aber vor allem gegen ihn. Er sei »zu links«, hieß es, »zu anders«. Doch erste Umfragen haben ergeben, dass die Mitte-Links-Wähler sehr viel für »den Mann mit dem Ohrring«, wie er oft genannt wird, übrig haben. Über die Hälfte würde es gerade ihm zutrauen, Berlusconi zu schlagen. Man hält ihn für »modern«, für »volksnah« und vor allem für einen Menschen, der andere begeistern kann.

Seine Teilnahme an den Vorwahlen der Demokraten – von denen bisher allerdings niemand weiß, ob und wann sie stattfinden – begründet er so: »Ich möchte neue Ideen ins Feld führen, ich will über das Leben sprechen, über Arbeit, über Sexualität, über Umwelt und prekäre Arbeitsverhältnisse, über häusliche Gewalt. Und ich werde mich an die Arbeiter und an die Unternehmer wenden. Denn alle sind daran interessiert, mehr Wohlstand zu schaffen.«

Auch über die derzeitige Lage in Italien sagt er Worte, die bei den Menschen gut ankommen: »Nicht nur im Golf von Mexiko gibt es einen schwarzen Fleck, der sich ausdehnt. Bei uns schafft der Staat illegale Strukturen, ist halbkriminell.« Verantwortlich dafür seien Silvio Berlusconi und seine Gefolgsleute. Und: »Berlusconi hat sich wie ein Waschmittel verkauft; er hat die Informationen manipuliert und zensiert.«

Zur linken Opposition in Italien sagt Vendola: »Ihr fehlt eine allgemeine Idee. Es fehlt an einer eigenständigen Sicht zur Weltwirtschaftskrise, die nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch eine Gesellschafts- und Kulturkrise ist.« Er selbst, ehemals IKP-Mitglied, gehörte 1991 zu den Gründern des Partito della Rifondazione Comunista (PRC), hat die Partei aber inzwischen verlassen und seine eigene SEL ins Leben gerufen.

Vendola ist es gelungen, sich vor allem jenen Italienern als Hoffnungsträger zu präsentieren, die eine klare und eindeutige Opposition gegen den dank seiner Medienmacht unschlagbar erscheinenden Berlusconi wollen und die wie der Präsident von Apulien davon überzeugt sind, dass es derzeit in der italienischen Linken »todlangweilig« ist. Ob sich diese Anziehungskraft auf ganz Italien ausdehnen lässt, wird man sehen, wenn die derzeitige Regierung tatsächlich abtritt und Neuwahlen anstehen. Nachdem der Zwist zwischen Berlusconi und seinem einstigen Verbündeten, dem Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini, zur Sprengung der Mehrheitspartei »Popolo della Libertá« (Volk der Freiheit) geführt hat, könnte dies schon bald sein. Denn der Cavaliere selbst spricht inzwischen von einem neuen Urnengang, sollten ihm die »Finianer« mit ihrer neuen Parlamentsgruppe »Futuro e Libertá« (Zukunft und Freiheit) das unumschränkte Regieren unmöglich machen wollen.

Auch im Mitte-Links-Lager gibt es allerdings mehrere Anwärter für die Spitzenkandidatur: Pierluigi Bersani von den Demokraten wird sich nicht kampflos ergeben, und Emma Bonino, Chefin der Radikalen, verheimlicht ihre Ambitionen ebenso wenig.

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