Unabhängigkeit vom Erdöl?

Experten diskutierten die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die weltweite Abhängigkeit von Erdöl ist groß. Doch die fossile Ressource wird knapp. Wie viel Erdöl kann man in Deutschland durch nachwachsende Rohstoffe und andere heimische Energieträger ersetzen? Diese Frage wurde gestern – auf Initiative der Agentur für Erneuerbare Energien – von Experten in Berlin diskutiert, aber nicht beantwortet.

Mit 42 Prozent am Endenergieverbrauch ist Erdöl weltweit der wichtigste Energieträger. Schätzungen zufolge wird der Bedarf an Erdöl künftig sogar noch ansteigen. Und das, obwohl Wissenschaftler davon ausgehen, dass der Förderhöhepunkt bereits überschritten ist oder spätestens 2020 erreicht sein wird. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe stellt in ihrem aktuellen Bericht über 2009 fest, dass konventionelles Erdöl in absehbarer Zeit nicht mehr im bisherigen Maße zur Verfügung stehen wird.

Einziger Ausweg, konstatiert die Agentur für Erneuerbare Energien, sei ein effizienter Umgang mit Ressourcen, die Entwicklung von Biowerkstoffen, die Etablierung alternativer Antriebe wie Elektromobilität sowie der Ersatz von Erdöl durch Biokraftstoffe. Nach Prognosen der Agentur werden heimische Energiepflanzen und Reststoffe bis 2020 etwa 12 Prozent des Energiebedarfs decken können. 2009 zeichnete der Verkehrssektor für mehr als die Hälfte des deutschen Erdölverbrauchs verantwortlich. Biokraftstoffe – reines Pflanzenöl, Bioethanol und Biodiesel – machten 5,5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs aus.

Wie viele Flächen in Zukunft für Energiepflanzen wie Mais, Roggen, Raps, Sonnenblumen oder Ölpalmen zu Verfügung stehen werden, ist unklar. Hier spielen die Bevölkerungsentwicklung sowie die Produktivität der Landwirtschaft eine große Rolle. Diskutiert wurde zudem, welche ungenutzten Flächen zur Verfügung stehen könnten.

Die Agentur für Erneuerbare Energien sieht den Beitrag heimisch angebauter Biomasse bis 2020 bei 12 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Würde man Importe von Biomasse-Rohstoffen hinzurechnen, entspreche dies sogar rund 25 Prozent des deutschen Ölbedarfs. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, sieht keine Nutzungskonkurrenz zwischen dem Anbau von Nahrung und dem Anbau für Biokraftstoffe. Die Nahrungsmittelversorgung dürfe nicht eingeschränkt werden. Er verweist auf die Möglichkeit der Kaskadennutzung und darauf, dass es bald verschiedene Pflanzen für Nahrungsmittel und die Energiegewinnung geben könne.

Im Wärmesektor werden rund 27 Prozent des Mineralölaufkommens eingesetzt. 8,4 Prozent des deutschen Wärmeverbrauchs werden durch Biomasseheizungen, Solarthermie und Wärmepumpen aufgebracht, die restlichen 91,6 Prozent sind fossile Wärme. »Über die Raumwärme und warmes Wasser wird viel zu wenig gesprochen«, beklagt Johannes Lackmann, Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourcenmanagment. Dass die Gebäudesanierungsprogramme heruntergefahren werden, gefällt ihm nicht.

14 Prozent des Erdöls werden in der chemischen Industrie als Basis für Kunststoffe, Lacke oder Farben verwendet. Dabei gibt es auch hier Alternativen, wie Jürgen Pfitzer, Geschäftsführer der TECNARO GmbH, darstellt: Aus dem Stoff Lignin, der in Zellstoffwerken als Abfallprodukt anfällt, entwickelte TECNARO einen Biokunststoff, der vielseitig eingesetzt werden kann.

Elektromobilität, erklärt Jörg Mühlenhoff, Referent für Energiewirtschaft der Agentur für Erneuerbare Energien, werde in den nächsten Jahren noch nicht ins Gewicht fallen. Er betont die Notwendigkeit, Reststoffpotenziale (beispielsweise Restholz, Gülle, Mist, Kartoffelschalen oder Klärschlamm) zu erschließen.

Johannes Lackmann will die Erkenntnisse der Effizienz endlich »auf die Werkbänke bringen«. Zuviel Energie werde verschenkt, weil bereits gemachte Kenntnisse nicht angewandt würden. Einsparpotenzial sieht die Agentur für Erneuerbare Energien auch in der Effizienzsteigerung von Motoren, im Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

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