Anstrengende Reise in die Toskana

Auf der siebenten Bezirkstour wird Klaus Wowereit mit Miet-, Lärm- und Drogenproblemen konfrontiert

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu Beginn wurde freundlich von Kreuzberger Balkons gewinkt, aber ein Wohlfühltermin war die siebente Bezirkstour für Klaus Wowereit nicht gerade. Obwohl sie auch in die »Toskana von Berlin«, wie der Graefekiez mittlerweile in manchen Publikationen genannt wird, führte. Aber die Bewohner sind besorgt über die steigenden Mieten, die Sanierung, Verkehrsberuhigung und Begrünung im Gefolge hatten. »Eine 100 Quadratmeter Wohnung kostet mittlerweile 1200 Euro, da reicht meine Rente nicht mehr«, sagt eine Frau. Altmieter mit noch relativ günstigen Mieten seien für die Vermieter Störfaktoren. »Die wollen uns am liebsten raushaben.«

Mietervertreter wie Martin Berger haben ermittelt, das die Mieten für kleine Wohnungen 40 Prozent über dem Mietspiegel liegen. »Die Kreuzberger Mischung, und dass Arme nicht ausgegrenzt werden, das wird's hier nicht mehr geben«, dafür eine »homogenisierte Mittelschicht-Gesellschaft«. Ob sie erst wieder die Kühlschränke auf die Straße stellen und Hunde anschaffen müssten, die alles vollkacken, fragt einer.

Das will natürlich auch Wowereit nicht, ein Mittel gegen steigende Miete weiß er aber nicht, da seien die Möglichkeiten der Landespolitik beschränkt. Sollen wir die Verbesserungsarbeit in den Kiezen einstellen, fragt er. Nein, aber eine bessere Stadtentwicklungspolitik machen, kontert der Mietervertreter, den Wohnungsmangel anerkennen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern und das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum wieder einführen. Allein in seinem Haus seien drei Ferienwohnungen entstanden, wirft einer ein, man sei hier schon ein reines Touristengebiet.

Das merkt Wowereit auch beim Kiezrundgang, er parliert mit Italienern, Bayern und Brandenburgern. Und trifft auch zufriedene Mieter. »Ick wohne schon 43 Jahre hier, mich kriegt höchstens ein Tsunami raus«, erklärt einer aus seinem Parterre-Fenster heraus.

An der Admiralbrücke wartet die nächste Problemzone. Hier sind die Kreuzberger Nächte besonders laut, seit das Bauwerk für Dauerpartys genutzt wird, was die Anwohner um den Schlaf bringt. Gerade in der Nacht vor Wowereits Besuch musste die Polizei 200 Partygäste von der Brücke räumen. Extra weil wir uns angekündigt haben, will Wowereit wissen. Nein, sagt der Polizist, weil Messungen des Umweltamtes eine unerträgliche Lautstärke ergeben hätten. Jetzt soll ein Mediatorenteam die Situation entspannen, aber eine Anwohnerin hat Zweifel: »Räumen, da hilft nur räumen, drei Wochen lang, dann ist Ruhe im Bordell.« Wenn er hier wohnen würde, wäre er auch genervt, gibt Wowereit zu und empfiehlt Lösungen »so soft wie möglich – das ist die Kunst«. Dann winkt er den Menschen auf den Ausflugsdampfern zu.

An der dritten Station wird Wowereit schon von aufgeregten Menschen erwartet. Es geht um die Drogen- und Trinkerszene am Kottbusser Tor. Anfang 2011 soll der neue Druckraum in der Reichenberger Straße öffnen, aber der Beratungsbus hält direkt an einer Einfahrt zu Kita und Seniorenwohnungen. »Unser Eingang ist schon fast eine öffentliche Toilette«, klagt die Kita-Leiterin. Wowereit hört zu und verweist auf das Quartiersmanagement. Alles sei doch unter Einbeziehung der Anwohner entschieden. Etwas tröstlicher kommt sein Rat bei einer arbeitslosen Frau an, deren Mann sie verlassen will, weil er nun die Reparatur des Autos allein bezahlen muss: »Sagen sie ihm, es ist besser eine Frau zu haben als ein Auto.«

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