Hamburg spart »Sektentante« ein

Renommierter Scientology-Kritikerin Ursula Caberta werden die Mittel gestrichen

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die in Deutschland einmalige Aufklärungsstelle zu Scientology fällt den Sparplänen der Hamburger Innenbehörde zum Opfer.

Hamburgs bundesweite Vorreiterrolle im Kampf gegen Scientology könnte bald ein Ende haben. Die vierköpfige Arbeitsgruppe Scientology (AGS), die zuletzt nur noch über 1,5 Stellen verfügte, wird zum 31. August geschlossen. AGS-Leiterin Ursula Caberta muss ihr Büro in der Admiralitätsstraße räumen, soll allerdings weiter zur umstrittenen Organisation, die sich selbst als Kirche ansieht, arbeiten.

Die streitbare Caberta, die sich gern selbst »Sektentante« nennt, schweigt zu den Plänen der Innenbehörde, dessen Leiter Christoph Ahlhaus (CDU) am nächsten Mittwoch zum Bürgermeister gewählt werden will. Noch im April hatte der Innensenator ein Verbot der »menschenverachtenden Organisation« Scientology gefordert und bedauert, dass »dafür nie eine bundesweite Mehrheit« gefunden worden sei. Hamburg gilt bislang neben Bayern als größte deutsche Bastion der Scientology-Kritiker. 2008 versuchten beide Länder vergeblich, auf der Innenministerkonferenz ein Verbotsverfahren anzuschieben.

Die Hamburger Innenbehörde spricht von einer Umstrukturierung, die Sparzwängen geschuldet sei. Caberta werde als Ministerialreferentin weiterhin Aufklärungsarbeit leisten. »Die Einzelberatung wird fortan ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes übernehmen«, erklärte Sprecher Frank Reschreiter. Mit dem Umzug Cabertas in die Innenbehörde sollen insgesamt 140 000 Euro eingespart werden. Wohin das weltweit einzigartige Archiv der vor 18 Jahren begründeten Arbeitsgruppe umzieht, ist noch unklar.

Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sieht nach der Entscheidung »freie Fahrt für Scientology«. »Ahlhaus entscheidet, Scientology jubelt«, kritisierte SPD-Innenexperte Andreas Dressel: »Der Psycho-Konzern Scientology hat es nicht geschafft, die AGS und Caberta kleinzukriegen. Jetzt übernimmt das Ahlhaus, der einerseits das Verbot von Scientology fordert und andererseits die bundesweit renommierteste und erfolgreichste Anti-Scientology-Stelle schließt.«

1992 betraute die Hamburgische Bürgerschaft die damalige SPD-Abgeordnete Caberta einstimmig mit dem Aufbau der AGS. Scientology versuchte damals massiv auf dem Hamburger Immobilienmarkt mit dubiosen Wohnungsumwandlungen Fuß zu fassen. Von der AGS herausgegebene Informationsbroschüren wie »Scientology – Irrgarten der Illusionen« brachten der 60-Jährigen rasch den Zorn und rund ein Dutzend Klagen Scientologys ein. »Wenn man sich mit Leuten anlegt, die nicht wollen, dass ihre Aktivitäten an das Licht der Öffentlichkeit gelangen, dann muss man mit Ärger rechnen«, kommentierte die Volkswirtin, die 2001 aus der SPD austrat und nach einer dreijährigen WASG-Mitgliedschaft mittlerweile parteilos ist.

Zuletzt stand die AGS Ende 2009 im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, als sie die europaweite Demonstration der über das Internet organisierten Anonymus-Gruppe ehemaliger Scientology-Mitglieder in Hamburg organisierte. Schon damals unkte Caberta, dass ihre Arbeitsgruppe den Haushaltsplanungen für 2011 zum Opfer fallen könnte – nach 18 möglicherweise zu effizienten Jahren. Zwar habe sich an der Gefährdungslage durch Scientology nichts wesentliches geändert, erklärte der Hamburger Senat auf eine Kleine Anfrage der SPD am 6. August, der »hohe Aufklärungsstand in der Bevölkerung« rechtfertige aber ein Nachdenken über Einsparpotenziale bei der Arbeitsgruppe.

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