Grüne fremdeln nicht lange
Parteitag in Hamburg stimmte für Fortsetzung der Koalition mit der CDU
Der Verlauf der Mitgliederversammlung im Bürgerhaus Wilhelmsburg, einem einstigen Arbeiterstadtteil, ließ am frühen Abend ahnen: Die Befürworter einer Fortsetzung der Koalition würden sich durchsetzen. Am Ende waren es 80 Prozent, die hierfür ihre Stimme gaben. Die Versammlung war notwendig geworden, weil sich die Grundvoraussetzungen der Koalition mit den Hamburger Christdemokraten geändert haben. Denn am Mittwoch tritt der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU, 55) nach neun Jahren Amtszeit zurück. Von Beust gilt als Architekt der ersten schwarz-grünen Koalition in einem Bundesland. Sein Nachfolger steht schon bereit. Am Sonnabend wurde der jetzige Innensenator Christoph Ahlhaus bei einem Parteitag der CDU zum Bürgermeisterkandidaten nominiert. Zeitgleich mit von Beusts Rücktritt soll er am Mittwoch von CDU und GAL in der Bürgerschaft zum neuen Senatschef gewählt werden.
Vorab hatte der GAL-Landesvorstand am Freitag bereits den Parteimitgliedern signalisiert, dass die Führungsspitze sich die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition auch mit Ahlhaus als Bürgermeister vorstellen kann. In einem Leitantrag zur gestrigen Mitgliederversammlung hieß es klipp und klar: »Die GAL setzt die schwarz-grüne Koalition mit einem Bürgermeister Christoph Ahlhaus fort.« Die Hamburger Grünen hätten »in den vergangenen Jahren gut und erfolgreich mit der CDU zusammengearbeitet und Erfolge in vielen Bereichen vorzuweisen«. Zudem sei der Koalitionsvertrag mit »den vielen grünen Akzenten« noch nicht abgearbeitet worden.
Ahlhaus, der bis vor kurzem noch als »konservativer Hardliner« galt, hatte sich am Mittwoch der grünen Basis während eines – nichtöffentlichen – Mitgliederabends vorgestellt und offenbar einen guten Eindruck hinterlassen. Selbst am Aufzug der Schwulen und Lesben, dem Christopher Street Day 1011, wolle er persönlich teilnehmen, versprach er den rund 350 anwesenden GAL-Mitgliedern. Zwar kommentierten einige Zwischenrufer seine Ausführungen mit »Schleimer!«, aber im Laufe des Abends konnte der Innensenator die meisten GALier offenbar überzeugen, dass das Bild vom gefühlskalten Hardliner, der demnächst mit eisernem Besen die angeblich liberale Hansestadt auskehre, nicht stimmig sei.
Am Freitag legte Ahlhaus bereits seine Liste mit den neuen Senatskandidaten vor, die am Mittwoch gewählt werden sollen. Geplant ist danach, dass der aus Sri Lanka stammende Container-Millionär Ian Karan (parteilos) Wirtschaftssenator werden soll. Der ehemalige Staatsrat in der Kulturbehörde, Reinhard Stuth (CDU), übernimmt demnach das Amt des Kultursenators, und Heino Vahldieck (ebenfalls CDU), derzeit noch Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, ist als Innensenator nominiert.
Für diesen Neubesetzungsvorschlag handelte sich Ahlhaus bereits harsche Kritik ein. So sprach die Hamburger Morgenpost von einer »Verlegenheitslösung«: »Profilierte Köpfe halten Ahlhaus' Senat für ein sinkendes Schiff, das man besser nicht betritt.« Noch härter kommentierte die LINKE den angekündigten Senatsumbau. »Der Ausdruck Gruselkabinett ist für den künftigen Senat noch geschmeichelt«, erklärte Fraktionschefin Dora Heyenn. »Neben einem Bürgermeister, der Mitglied einer schlagenden Verbindung war, gibt es einen Finanzsenator, der unter dem Verdacht der Untreue steht, und einen Sozialsenator, der einen Immobilienhai gedeckt hat, der bei Mieten von Hartz-IV-Empfängern abgezockt hat.« Auch der designierte Wirtschaftssenator Ian Karan sei nicht tragbar, so Heyenn. Dieser hat inzwischen eingeräumt, vor Jahren die rechtspopulistische Schill-Partei finanziell unterstützt zu haben – mit insgesamt 60 000 Euro.
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