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Konjunktur rauf – Einkommen nicht

DIHK sieht keinen Spielraum für Lohnerhöhungen / Gewerkschaften kündigen hohe Forderungen an

  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz des starken Wirtschaftswachstums sieht der DIHK wenig Spielraum für Lohnerhöhungen. Er korrigierte zugleich seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr deutlich von 2,3 auf 3,4 Prozent nach oben.

Berlin (dpa/ND-Meyer). Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat am Wochenende seine Konjunkturprognose deutlich nach oben korrigiert. Statt wie bisher von 2,3 Prozent geht der DIHK jetzt von bis zu 3,4 Prozent Wachstum für das Gesamtjahr aus. Das Bruttoinlandsprodukt war von April bis Juni um 2,2 Prozent gewachsen, so rasant wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von einem »Aufschwung XL«.

Aber nicht allein der boomende Export sei die Ursache für die besseren Aussichten: »Der Aufschwung gewinnt an Breite«, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben dem »Spiegel«. Die Unternehmen investierten branchenübergreifend wieder mehr. »Sogar der Konsum zieht wegen der erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung langsam an.«

Bei den Löhnen soll sich das indes nicht niederschlagen. Nach Einschätzung von DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann wächst die Nachfrage auch ohne Lohnerhöhungen. »Ich sehe derzeit wahrlich keinen Spielraum für größere Lohnzuwächse«, sagte Driftmann am Wochenende dem »Hamburger Abendblatt«.

Die Gewerkschaften sehen das anders und fordern, dass sich der Aufschwung auch bei den Beschäftigten niederschlagen muss. Die IG Metall hatte angekündigt, in der bevorstehenden Stahl-Tarifrunde ein Ende der Bescheidenheit einzuläuten und wird voraussichtlich Lohnerhöhungen zwischen 4,5 und acht Prozent fordern. Die in der Krise mit dem Blick auf Beschäftigungssicherung abgeschlossenen Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie böten Möglichkeiten der Beteiligung der Beschäftigten, sagte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler der dpa. So könnte die für April 2011 vorgesehene Lohnerhöhung um zwei Monate vorgezogen werden. Auch könnten Erfolgsbeteiligungen vereinbart werden. Zudem forderte Wechsler, dass mehr Festbeschäftigung und nicht mehr Leiharbeit geschaffen werde.

Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will deutlich höhere Löhne durchsetzen: Um die Binnenkonjunktur anzukurbeln, seien spürbare Lohnerhöhungen unverzichtbar, sagte NGG-Chef Franz-Josef Möllenberg der »Rheinpfalz am Sonntag«. Die Gewerkschaft werde mit einer Forderung von fünf Prozent mehr Lohn in die Tarifgespräche gehen.

Zuletzt hatte auch das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung seinen Prognose nach oben korrigiert und sieht eine Drei vor dem Komma. Gleichzeitig warnte der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Gustav A. Horn: »Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor nur auf einem Bein: dem Export.« Sowohl höhere staatliche Investitionen als auch eine stärkere, produktivitätsorientierte Lohnentwicklung seien nötig, um die Binnennachfrage zu stärken, so Horn.

Die Bundesregierung wird ihre Konjunkturprognose für 2010 nach dem aktuellen Monatsbericht des Finanzministeriums deutlich nach oben schrauben. Das Ministerium schrieb aber auch, die Dynamik werde in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich erheblich weniger stark ausfallen. Auch Finanzexperten rechnen mit einer Abkühlung der deutschen Konjunktur in den kommenden Monaten. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) begründete dies mit der schwachen Konjunkturentwicklung in anderen Euroländern und den USA.

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