Lichtenbergerin läuft in Monimbó

Zum 25-jährigen Jubiläum des Moia-Wandbildes reisten zwei Frauen von Berlin nach Nicaragua

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Lichtenbergerin läuft in Monimbó

Es war schon fast vergessen – nun erstrahlt es in neuem Glanz: Das Nicaragua-Wandbild in Lichtenberg. Seit Neuestem erfreut es sich besonders im seit einigen Jahren wieder von Sandinisten regierten Herkunftsland des Künstlers Manuel García Moia großen Interesses. Bedeutenden Anteil daran hat Christel Schemel, Koordinatorin der Lichtenberger Wandbildinitiative. »Nachdem wir das Bild durch Spendengelder vor sieben Jahren rekonstruieren konnten, wollte ich auch in Nicaragua die Botschaft vom geretteten Wandbild verbreiten«, erklärt sie.

Zum 25-jährigen Jubiläum des Giebelwandgemäldes reiste sie im Juni zum dritten Mal in das mittelamerikanische Land. Mit dabei war die Lichtenberger Marathon-Läuferin Annette Flegel. Im Rahmen der Festlichkeiten zum Nationalfeiertag nahm sie mit Jugendlichen an einem Freundschaftslauf zum Denkmal von Monimbó teil. Dort hatten Sandinisten Ende der 70er Jahre etwa 6000 Menschen, denen Gewalt durch Schergen des damaligen Diktators Somoza drohte, evakuiert. Die Läufer trugen selbst kreierte Startnummern mit einem Foto des Wandbildes.

Die Frauen hatten zudem ein Geschenk mitgebracht: Eine zwei mal drei Meter große Kopie des Moia-Werks. Diese wurde am Vorabend des Revolutionsfeiertages im Beisein des Kulturministers Luis Morales Alonso in der Nationalgalerie feierlich enthüllt.

Das Original in Lichtenberg ist dagegen weit weniger prominent platziert. Spaziergänger auf der Lichtenberger Brücke sind eine Seltenheit. Denn es ist sehr laut zwischen der vielspurigen Frankfurter Allee und den breiten S-Bahn-Gleisen. Für mehr Aufmerksamkeit könnte jedoch das touristische Wegeleitsystem beitragen. Darin wurde das Bild inzwischen aufgenommen.

Das Wandbild wird von der Initiative liebevoll gepflegt. Doch wie lange noch, ist fraglich. Denn dafür müssten rund 1000 Euro im Jahr aufgebracht werden, beklagt Schemel. Scheinwerfer würden regelmäßig gesäubert sowie gelegentlich Schmierereien und Unkraut entfernt. Die Koordinatorin war viele Jahre PDS-Bezirksverordnete in Lichtenberg und hat gute Kontakte zur lokalen Politik. Sie will demnächst anregen, dass künftig der Bezirk mehr finanzielle Verantwortung für den Erhalt des Kunstwerks übernimmt.

Denn die Lebensdauer eines Wandbildes beträgt etwa 15 bis 20 Jahre. Und trotz seiner künstlerischen und zeitgeschichtlichen Bedeutung wurde dem Werk nicht immer die angemessene Pflege und Aufmerksamkeit zuteil. 1990 wurden die Sandinisten abgewählt und die DDR mit der Bundesrepublik vereinigt. Seitdem verblich das Wandbild als Relikt vergangener Zeiten zusehends.

Vor sieben Jahren drohte es sogar vollständig zu verschwinden, weil eine neue Dämmung des Hauses vorgesehen war. Für die Rettung des Kunstwerks gründete sich die Wandbildinitiative. Sie musste zunächst den Künstler ausfindig machen, um sein Einverständnis für die Rekonstruktion einzuholen. »Wir fanden ihn mit Hilfe der Kartei des ehemaligen Kulturattachés der DDR«, erinnert sich Schemel. Der heute 74-jährige Moia, der im US-amerikanischen Frederick (Maryland) lebt, gab seine Zustimmung. Mit Spendengeldern finanzierte die Initiative 2005 die Erneuerung des Bildes.

Die 255 Quadratmeter große Malerei, vom Berliner Magistrat und dem DDR-Kulturministerium in Auftrag gegeben, ist eines der letzten erhaltenen Wandbilder von Moia. Der Künstler sagte damals über sein am 27. August 1985 fertiggestelltes Werk: »Ich möchte einerseits den Widerstand, aber auch die Schönheit der Natur und einer alten Kultur zeigen.« Charakteristisch für seine naive Kunst ist die einfache Darstellung von Lebewesen und Gegenständen.

Das Giebelwandgemälde erinnert an die Kämpfe vom Februar 1978 in Monimbó. Als die Soldaten Somozas im Viertel von Masaya eindrangen, waren ihnen die dort lebenden Indios unterlegen. Sie waren lediglich mit Ackerbaugeräten, Macheten und wenigen Pistolen bewaffnet. Die Soldaten töteten etwa 343 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder. Auch rund 50 Somoza-Getreue fielen den Kämpfen zum Opfer. Der Aufstand war der Beginn des linken Befreiungskampfes in Nicaragua.

Spendenkonto: Margot Denkert, Deutsche Bank, BLZ: 100 700 24, Kto.-Nr.: 470 361 760, Kennwort: Giebelbild

Freundschaftslauf mit nicaraguanischen Jugendlichen (oben), das Wandbild in Lichtenberg (unten).
Freundschaftslauf mit nicaraguanischen Jugendlichen (oben), das Wandbild in Lichtenberg (unten).
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!