Schießerei oder gezielte Bombardierung?

LINKEN-Politikerin: Deutsche Menschenrechtsaktivisten gerieten in der Türkei in Lebensgefahr

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung in der Nähe der südosttürkischen Stadt Semdinli, bei der am vergangenen Wochenende mindestens vier Personen getötet worden waren, erhebt die LINKEN-Abgeordnete Bärbel Beuermann schwere Vorwürfe gegen das türkische Militär und die Polizei vor Ort.

Laut Berichten türkischer Medien war zunächst ein Unteroffizier der türkischen Armee in einem Scharmützel tödlich verletzt worden. Danach habe die Armee einen größeren Einsatz begonnen, bei dem vier Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) getötet wurden. In den Berichten ist lediglich von »Schießereien« die Rede.

Beuermann bestreitet diese Darstellung. Sie spricht von »gezielter Bombardierung« einer Bergregion nahe der 53 000-Einwohner-Stadt Semdinli. Bei diesem Angriff habe das türkische Militär vier Menschen getötet.

Beuermann war zum Zeitpunkt des Angriffs in den kurdischen Provinzen der Türkei. Sie leitete eine Delegation, die sich über Menschenrechtsverletzungen informieren wollte. Sie verweist darauf, dass die PKK einen – neuen – Waffenstillstand bis zum 20. September ausgerufen habe.

Die kurdische Partei hatte zuvor im Juni einen 13 Monate währenden Waffenstillstand aufgekündigt und Angriffe und Anschläge verübt. Die Folge: Mehrere Dutzend Tote. Die Behörden machen die PKK zudem verantwortlich für einen am Mittwoch verübten Bombenanschlag auf eine Gasleitung in der Provinz Agri.

Nach Beuermanns Aussagen kam es am vergangenen Montag in Semdinli zu massiven Polizeiübergriffen, bei denen auch Teilnehmer der von ihr geleiteten Delegation in Lebensgefahr geraten seien, nämlich Martin Dolzer, ein Mitarbeiter der LINKEN-Bundestagsfraktion, der Historiker Michael Knapp und der Dolmetscher Erkan Ayik.

Da einer der vier Leichname zunächst nicht den Angehörigen übergeben worden sei, haben nach Beuermanns Angaben am Montag Verwandte, »überwiegend Frauen und Kinder«, in Semdinli demonstriert. Die Polizei habe die Demonstration brutal angegriffen.

Beuermann: »Als Kinder Steine warfen, wurden seitens der Polizei Wasserwerfer und massiv Tränengasgranaten eingesetzt. Ein so genanntes gepanzertes Skorpion-Fahrzeug ist mit hoher Geschwindigkeit in den Demonstrationszug gefahren.« Dolzer, Knapp, Ayik und andere hätten sich nur durch einen schnellen Sprung zur Seite retten können. Beuermann berichtet zudem von Schüssen aus Schnellfeuergewehren. »Das Leben von Menschen wurde wissentlich riskiert«, so Beuermann.

Die Politikerin, die inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt ist, forderte den deutschen Botschafter in der Türkei zum Handeln auf: Eckart Cuntz solle »unverzüglich die Bundesregierung informieren«. Der Diplomat solle ferner eine Protestnote an die türkische Regierung richten, »da Bundesbürger durch diesen Angriff der Polizei in Gefahr gebracht worden sind«.

Die Ortschaft Semdinli liegt in der türkischen Provinz Hakkari nahe der irakischen Grenze. Dort soll die türkische Armee im September vergangenen Jahres Giftgas gegen PKK-Aufständische eingesetzt haben.

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