Demonstranten stoppten Bagger

Abrissarbeiten für Stuttgart 21 am Donnerstag unterbrochen / Innenminister Rech erbost

  • Lesedauer: 2 Min.
Stundenlang stand der Bagger am Stuttgarter Hauptbahnhof still: Sieben Demonstranten hatten das Dach des Gebäudes besetzt. Sie wurden nach 22 Stunden von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei abgeführt.

Stuttgart. (ND-Wallrodt/Agenturen). Wer gedacht hätte, die Proteste würden in sich zusammenbrechen, so wie die erste Mauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs wankt, hat sich geirrt. Im Gegenteil: Nachdem der Abriss des Nordflügels am Mittwoch begonnen hat, sind die Proteste erst richtig in Schwung gekommen. Demonstranten hielten fast 24 Stunden lang das Dach des Bahnhofs besetzt und unterbrachen so die Arbeiten für das umstrittene Bahnprojekt »Stuttgart 21«. Auf dem Bahnhofsvorplatz verharrten zudem erneut hunderte Demonstranten, um Zufahrtswege für Baufahrzeuge zu blockieren. Dementsprechend schlecht ist die Stimmung bei Baden-Württembergs CDU-Innenminister Heribert Rech. Er kritisierte die Aktionen scharf. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei holte die sieben Besetzer gestern Nachmittag vom Dach. Am Abend setzte sich der Bagger unter lauten Pfiffen und Schreien der Protestierer wieder in Bewegung.

Bei dem Milliarden-Projekt Stuttgart 21 soll der Kopfbahnhof unter die Erde verlegt und durch einen Tunnel an den Flughafen und die Schnellbahnstrecke nach Ulm angebunden werden. Seit Wochen protestieren Tausende erbittert gegen das Mammut-Vorhaben, weil sie es für zu teuer und verkehrspolitisch unsinnig halten. Sie wollen weiterkämpfen, bis ein Moratorium zugesagt ist. Für heute Abend ist erneut eine Großdemonstration angekündigt.

Die Projektgegner sehen sich von den Bauherren getäuscht. Vor wenigen Wochen hätten sie ein stückweises Abtragen einzelner Steine angekündigt. Der Abrissbagger habe jedoch mit »brachialer Gewalt« die Fassade zertrümmert, »weil man in möglichst kurzer Zeit Fakten schaffen wollte«, erklärte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Nach Beginn des Abrisses waren am Mittwochabend rund 12 000 Menschen in Stuttgart auf der Straße. Dabei besetzten Aktivisten im Bahnhof Gleise und stoppten die Weiterfahrt des französischen TGV-Schnellzugs nach Paris für knapp eine Stunde. Zudem gab es in der Stadt zahlreiche Staus durch Straßenblockaden. Die Polizei ist inzwischen durchgängig mit mehreren hundert Beamten im Einsatz.

Innenminister Rech zeigte sich erbost über die Aktionen: »Das hat nichts mehr mit demokratischem Protest zu tun, hier werden die Grenzen eindeutig überschritten.« Die Gegner müssten die demokratischen Entscheidungen akzeptieren und einsehen, dass der Protest viel zu spät komme, Unfrieden und Zwietracht säe.

In der Tat richtet sich der Protest gegen ein Projekt, das Parlamentsmehrheiten von Gemeinderat bis Bundestag beschlossen haben. Allerdings hat die Stadt eine demokratische Entscheidung per Volksentscheid verhindert. 67 000 Bürger hatten diesen 2007 per Unterschrift gefordert. Er war vom Gemeinderat jedoch als unzulässig abgelehnt worden, weil er gegen bereits getroffene vertragliche Vereinbarungen verstoße.

Verteidigt wird der Traditionsbahnhof von Initiativen, Umweltverbänden, Gewerkschaften und Parteien. Das Thema könnte eine entscheidende Rolle in der kommenden Landtagswahl im März 2011 spielen. Seite 3

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.