Ein Hauch von Ewigkeit
Das musikfest berlin 10 ehrt Pierre Boulez und Luciano Berio zum 85. Geburtstag
Wenn das musikfest berlin 2010 mit Pierre Boulez und Luciano Berio ganz im Zeichen zweier bedeutender Komponistenpersönlichkeiten steht und über Boulez das Miteinander von Dichtung und Musik feiert, sollte eine weitere Kunst nicht vergessen sein, die durch die intensive Auseinandersetzung mit moderner Musik auch zu deren Verbreitung beigetragen hat.
Blättert man das Programm des musikfests durch, ist man erstaunt, wie viele der in einem der fünf beteiligten Häuser musizierten Werke Choreografen von Rang angeregt haben. Das meint nicht nur jene eigens für Tanz entstandenen Kompositionen wie Strawinskys »Feuervogel«, »Petruschka«, »Pulcinella« oder »Agon«, Ravels »Daphnis et Chloé« oder Richard Strauss’ Suite »Der Bürger als Edelmann«, die immerhin ein ursprünglich als Ballettkomödie gegebenes Stück von Molière paraphrasiert. Boulez’ »Le Marteau sans maître« auf Gedichte von René Char und sein »Pli selon pli« auf Lyrik von Stéphane Mallarmé hat kein Geringerer als Maurice Béjart für den Tanz erschlossen, Berios »Folk Songs« fanden kongeniale Umsetzung in einem Mehrteiler von Heinz Spoerli.
Während der ersten drei Septemberwochen punktet Berlins großes Festival für Orchestermusik mit 24 Veranstaltungen, die über 60 Werke von rund 25 Komponisten bieten. Beteiligt werden dann in der Philharmonie und deren Kammermusiksaal, in der Parochial- und der Gethsemanekirche sowie im Konzerthaus am Gendarmenmarkt 37 Solisten, 27 Chöre, Ensembles, Orchester des internationalen Musiklebens sein.
Die Widmung des Festivals an Boulez und den 2003 verstorbenen Berio ehrt beider 85. Geburtstag. Dass Boulez den Abend aus seiner eigenen Kreation »… explosante-fixe…« zum Angedenken Strawinskys sowie dessen musikalischem Märchen »Le Rossignol« nach Andersen selbst leiten wird, lässt einen Hauch von Ewigkeit aufwehen.
Mit 17 Werken bildet Boulez, in seiner Begabung als Schöpfer und Interpret eine Jahrhundertgestalt der Musik, eine der Säulen der Aufführungen. Vier der Konzerte huldigen seiner Inspiration durch Dichter: außer Char und Mallarmé ebenfalls E.E.Cummings – das Orchesterwerk »Rituel in memoriam Bruno Maderna« erinnert an seinen früh verstorbenen Musikerkollegen. Während Boulez Anregungen von Berg oder Mahler durch balinesische, japanische, peruanische Musik in etwas gänzlich Eigenes verwandelt, scheute sich Berio, dessen Werkkatalog die 100 überschreitet, nicht, die musikalische Volkstradition zu zitieren: ob aus Italien, Frankreich, Armenien, Aserbaidschan, Jugoslawien, Afrika, dem indianischen Amerika. Von diesen »Reisen« berichten die zehn aufgeführten Werke, neben den »Folk Songs« das Bratschenkonzert »Voci«, das oratorische Madrigal »Coro«, die Bernstein gewidmete »Sinfonie«, die »Voyage à Cythère«.
Ergänzt wird das Programm des musikfests berlin durch ein breites Umfeld. Es reicht von Musik des 14. Jahrhunderts und Bachs ganzer »Kunst der Fuge« über Mozart, Wagner, Berlioz, Debussy, Prokofjew, Strauss, Bartók, Berg, Webern, Lutoslawski bis Xenakis, Furrer, Eötvös, Pousseur, Volans.
Welche Klangkörper dafür gewonnen werden konnten, auch das zeigt den Stellenwert des musikfests berlin. Dirigiert Daniel Harding das 1904 gegründete London Symphony Orchestra beim Eröffnungskonzert, folgen weitere Spitzenorchester: so unter Vladimir Jurowski das 1932 von Thomas Beecham formierte London Philharmonic Orchestra, unter Mariss Jansons das schon 1888 ins Leben gerufene Koninklijk Concertgebouworchester Amsterdam, das Bayerische Staatsorchester unter Kent Nagano, die Bamberger Symphoniker. Mit Keller Quartett, Duke Quartet, Ensemble Modern, musikFabrik, Ensemble intercontemporain, Solisten wie Daniel Barenboim, Sängern und Chören bietet das diesjährige musikfest berlin weitere Künstler von Rang auf.
2.-21.9., musikfest berlin, Kartentelefon 25 48 91 00, Infos unter www.musikfest-berlin.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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