Hellas und die Rüstungslobby
Mit 110 Milliarden Euro von Mitgliedern der EU und vom IWF soll sich Griechenland bis 2012 finanziell über Wasser halten. Größter einzelner Kreditgeber ist die Bundesrepublik. Deutsche Regierungspolitiker taten kund: Grund für die griechische Haushaltsmisere sind schlechtes Wirtschaften und eine lasche Einkommens- und Vermögensbesteuerung. Auch verdienten die Beamten zu viel und alle Griechen gingen zu früh in Rente. Nun müssten sie endlich den Gürtel enger schnallen.
Das größte Übel blieb aber unerwähnt: die jahrzehntelang horrenden Militärausgaben. Deutschland gehört neben den USA und Frankreich zu den Hauptlieferanten von Rüstungsgütern. Griechenland unterhält nach NATO-Angaben mit 133 000 Soldaten, auf seine elf Millionen Einwohner umgerechnet, die mit Abstand größte Armee Europas. Kein anderer europäischer Staat investiert pro Kopf so viel Geld in Waffen. Seit Anfang 2000 haben Hellas' Militärs etwa 50 Milliarden Euro ausgegeben und so maßgeblich zum Ruin der Staatsfinanzen beigetragen. Von 2005 bis 2009 war Griechenland dem Stockholmer SIPRI-Institut zufolge – getrieben vom schwelenden Konflikt mit der Türkei – der fünftgrößte Käufer von Panzern und Flugzeugen. Deutsche Hersteller hatten eine Spitzenposition.
Was gern als solidarischer Akt für ein Mitglied der Europäischen Währungsunion ausgegeben wird, hat bei Lichte eigennützige Gründe. Die schwarz-gelbe Koalition steht mit dem Geld von Steuerzahlern dafür ein, dass Griechenland weiter auch deutsche Waffen auf Pump kaufen kann. Sie erweist sich als Dienstleister für private Rüstungskonzerne. Die Bundeskanzlerin spannte sich bei einem Athen-Besuch sogar vor den Karren der Panzer- und U-Boot-Lieferanten, die aus Vorjahren noch auf unbeglichenen Rechnungen in dreistelliger Millionenhöhe sitzen.
Auch der deutsche Staat verdient mit. Ende März, da war Athens Haushaltsnotstand längst akut, verkaufte Deutschland den Hellenen per Regierungsvertrag 223 Panzerhaubitzen, die das Verteidigungsministerium aussortiert hat. Im Angebot sind auch gebrauchte Panzer. Verhandelt wird über den Kauf zweier neuer U-Boote. Der Deal würde die griechischen Staatsfinanzen bis 2018 mit jährlich 200 Millionen Euro belasten. Rüstungsfirmen verdienen am andauernden Konflikt zweier NATO-Mitglieder, weil Griechenland und die Türkei von denselben Waffenlieferanten »versorgt« werden.
Im 120 Seiten langen »Sparprogramm«, das die Hilfszusagen von IWF und Euro-Ländern flankiert, sind bis ins Kleinste härteste Kürzungsmaßnahmen für die Bevölkerung aufgelistet. Zu den Militärausgaben fehlen Details. Athen kündigt vage an, diese 2010 um rund 10 Prozent senken zu wollen. Aber auch dann würde der Militäretat noch 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen – der höchste Wert in Europa.
Das ist nicht nur für ein fast bankrottes Land ein Skandal. Auch generell sind Rüstungsausgaben parasitär. Die hohen Kosten fürs Militär belasten den Haushalt und führen zur Ausplünderung der Bevölkerung. Das Land verliert Milliarden, die es dringend bräuchte, um konkurrenzfähige Industriezweige aufzubauen. Der Einwand, es gehe um Erhalt und Ausbau hochtechnologischer Arbeitsplätze, geht ins Leere. Mit den Milliarden, die im kapitalintensiven Rüstungssektor sinnlos verpuffen, ließe sich im zivilen Bereich ein Mehrfaches an zukunftsfähiger Beschäftigung kreieren. Dies würde Griechenland dauerhaft nützen – was man für gepumptes Geld für noch mehr Flugzeuge und Panzer nicht sagen kann.
In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.
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