Testlabor für Sozialabbau?
Luxemburg streicht Vergünstigungen für Auszubildende
Stein des Anstoßes ist ein von der Luxemburger Regierung im Juli durchgepeitschter Parlamentsbeschluss, der Familienzulage und Steuervergünstigung für über 18-Jährige in Ausbildung streicht. Das Gesetz wurde »ohne Einhaltung der Anhörungsfristen und im Schweinsgalopp durchgepeitscht«, beklagt Nico Clement vom Luxemburger Gewerkschaftsbund OGBL. Es soll zum 1. Oktober in Kraft treten. Das Kabinett aus Christ- und Sozialdemokraten unter Führung von Ministerpräsident Jean-Claude Juncker habe bewusst die Sommerpause gewählt, um den potenziellen Widerstand zu schwächen, ist sich Clement sicher. Während die Ablehnung der meisten Oppositionsparteien »sehr differenziert« ausgefallen sei, habe die mit einem Sitz vertretene Luxemburger Linke grundsätzlich »Nein« gesagt.
An die Stelle der bisherigen Familienzulage soll für über 18-Jährige Kinder abhängig Beschäftigter ein Stipendium für Studierende in etwa gleicher Höhe treten. Voraussetzung ist aber ein Wohnsitz im 500 000-Einwohner-Kleinstaat. Wer über die Grenze pendelt, verliert unter Umständen bald mehrere tausend Euro im Jahr zur Unterstützung studierender Kinder.
»Es trifft nicht eine kleine Minderheit, sondern fast die Hälfte«, so Nico Clement. Denn 148 000 von 339 000 Beschäftigten in Luxemburg, rund 44 Prozent, sind »Grenzgänger« aus Frankreich, Deutschland und Belgien – für Europa einzigartig. Davon kommen über 25 000 aus Rheinland-Pfalz und über 7000 aus dem Saarland. Schwere Einbußen bringt ihnen auch die beschlossene Halbierung der Kilometerpauschale.
Clement hält die Kürzungen für »völlig inakzeptabel«. Da Grenzgänger in Luxemburg Lohnsteuern zahlten und die Familienzulage steuerfinanziert sei, müsse weiter der Grundsatz »voller Beitrag, volle Leistung« gelten. »Besonders moralisch verwerflich« sei zudem, dass Luxemburger Studierende, die an einer Hochschule im Ausland eingeschrieben seien, weiter Geld vom Staat bezögen.
Die Kürzung sei nicht nur eine Spaltung der abhängig Beschäftigten, sondern verstoße auch gegen die Europa-Idee und EU-Richtlinien, die gleiche Sozialleistungen für alle vorsähen, so Clement. Dagegen werde man bei der EU-Kommission klagen. Zuvor jedoch wollen die Gewerkschaften in Saar-Lor-Lux am 16. September vor Junckers Amtssitz in Luxemburg protestieren. »Was man an einem Tag gemacht hat, kann man auch an einem Tag wieder ändern«, hofft Clement.
»Juncker darf sich über den Besuch aus der Region freuen«, kündigt der saarländische DGB-Chef Eugen Roth an und warnt vor einem »Testlabor« für den Sozialabbau im finanzstärksten Land der EU: »Wenn das glatt durchgeht, wird daraus ein Pilotprojekt für Europa.« Wenn Juncker auf »britische Verhältnisse« setze, gebe dies auch Scharfmachern in deutschen Arbeitgeberverbänden Auftrieb. Daher organisiere der DGB Saar auch Busse für den 16. September. Roth erhofft sich Unterstützung durch die Landesregierungen und betroffenen Kommunen im Saarland und in Rheinland-Pfalz.
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