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Morus und Mores

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Joseph Ratzinger noch Kardinal war, bekannte er einmal, dass Thomas Morus zu seinen großen Vorbildern gehört. Als Papst hatte er nun während seines Besuchs in London Gelegenheit, in jenem Saal zu sprechen, wo der englische Staatsmann und Humanist 1535 zum Tode verurteilt worden war. Der überzeugte Katholik hatte es abgelehnt, dem Diktat von Heinrich VIII. und seiner an reinen Machtinteressen orientierten anglikanischen Staatskirche zu folgen. Zu Morus' die Jahrhunderte überdauernden Leistungen gehört sein Werk »Utopia«, in dem er ein kommunistisches Gemeinwesen entwarf. Auch wenn Benedikt mit Kommunismus nicht allzu viel am Hut respektive am Pileolus hat, dürfte die Vision von den Priestern als Erzieher der Jugend in dem utopischen Inselstaat wohl seine ungeteilte Zustimmung finden. Leider haben viele, sehr viele Prälaten der Romkirche gerade bei solcher Aufgabe schmählich versagt, weshalb das Oberhaupt der Katholiken auch auf dieser Auslandsreise »Schmerz und Scham« über Versagen, Verfehlungen und Verbrechen im weiterhin aktuellen Missbrauchsskandal bekunden musste.

Doch der Papst hatte genug Chuzpe, ungeachtet des Sündenregisters seiner »Gottesdiener« junge Katholiken Mores zu lehren, »ein Leben zu führen, das des Herrn und euer selbst würdig ist«. Und als »zerstörerische und zwiespältige« Versuchungen nannte er wörtlich: »Drogen, Geld, Sex, Pornografie, Alkohol«. Dass an der rigiden Sexualmoral trotz verheerender Folgen vom Vatikan keine Abstriche gemacht werden, ist nicht neu. Aber das Geld zu verdammen, ist schon dreist: Immerhin bezahlen den Besuch Benedikts fast ausschließlich die britischen Steuerzahler.

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