Schünemann heizt die Stimmung an

Der niedersächsische Innenminister redet Gewalt bei Anti-Castor-Protesten herbei

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Respekt vor der Anti-Atom-Bewegung wächst: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) vergleicht die Durchsetzung des bevorstehenden Castortransports mit dem Schutz eines G8-Gipfels.

Die Linksfraktion im niedersächsischen Landtag fordert die Absage des bevorstehenden Castortransports ins Zwischenlager Gorleben. Der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Kurt Herzog, bezeichnete Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gestern als »Scharfmacher«. Er wolle die Proteste von Atomkraftgegnern mit einem starken Polizeiaufgebot unterdrücken. Der Innenminister müsse den Transport absagen, sonst nehme er viele Verletzte durch den Polizeieinsatz in Kauf.

Tatsächlich redet Schünemann gewalttätige Demonstrationen im Wendland geradezu herbei. Fast täglich warnt der CDU-Politiker vor Protesten, die militanter sein könnten als bei früheren Atommülltransporten. Die Fuhre mit elf Castorbehältern startet voraussichtlich am ersten Novemberwochenende an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague.

»Man muss damit rechnen, dass der Castortransport dieses Mal sogar international registriert wird und neben friedlichen Demonstranten auch gewaltbereite Demonstranten aus dem Ausland anlockt«, sagt Schünemann. Zudem sei damit zu rechnen, »dass es auch brutaler wird«. Der »autonome Linksextremismus« sei in der letzten Zeit gewalttätiger geworden, erklärt er mit dem Hinweis auf die gewachsene Zahl brennender Autos.

Sorgen bereiten dem Minister nach eigenen Angaben vor allem Aufrufe, Schottersteine aus dem Gleisbett der Castorstrecke zu entfernen. Tatsächlich fordern mittlerweile rund 60 Gruppen und Organisationen unter dem Motto »Castor schottern« dazu auf, den Atommüllzug auf diese Weise unpassierbar zu machen. Sie haben allerdings auch deutlich gemacht, dass es ihnen nicht um eine Konfrontation mit der Polizei geht. Neben den Liedermachern Konstantin Wecker und Hannes Wader untertützen mehrere Bundestags- und Landtagsabgeordnete die Schotterinitiative.

Mit der angeblichen Gewaltbereitschaft von Castorgegnern begründet Schünemann zugleich seine Forderung nach noch mehr Polizei als bei den vergangenen Transporten. »Wir richten uns auf einen großen Einsatz ein«, sagt er. Die Herausforderungen für die Polizisten seien ähnlich groß wie beim Schutz eines G8-Gipfels. Beim G8-Treffen 2007 in Heiligendamm waren rund 18 000 Beamte aufgeboten.

Der Innenminister befürchtet auch, dass sich die Kosten des Polizeieinsatzes zum Schutz des Castortransportes deutlich erhöhen. Vor zwei Jahren musste Niedersachsen über die normalen Gehaltszahlungen für die eingesetzten Beamten hinaus zusätzlich 23 Millionen Euro aufwenden. Diese Summe werde bei dem im Herbst erwarteten Transport voraussichtlich noch einmal übertroffen. Schünemann möchte, dass der Bund diese Kosten übernimmt.

Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannnenberg weist die Äußerungen Schünemanns scharf zurück. »Brutal ist nur die Wortwahl von Herrn Schünemann, die uns verunglimpfen soll«, sagte ein BI-Sprecher. »Wir setzen auf massenhaften, friedlichen und entschiedenen Protest.« Auch die Initiative »X-tausendmal quer«, die eine Sitzblockade auf der Castorstrecke organisiert, will sich von Schünemann nicht kriminalisieren lassen. »Gewaltfreien Widerstand gegen eine Technologie zu leisten, die täglich Leben und Gesundheit Tausender bedroht und unzähligen Generationen nach uns tödlich strahlenden Müll aufbürdet, halten wir für unsere Verantwortung und unsere Pflicht.«

Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag verlangt, dass die Landesregierung das Parlament über den bevorstehenden Polizeieinsatz beim Castortransport informiert. »Wir haben die Sorge, dass durch ein falsches Einsatzkonzept die Lage im Wendland eskaliert«, sagt der innenpolitische Sprecher Klaus-Peter Bachmann. Sein Fraktionskollege Detlef Tanke ergänzt: »Wenn Innenminister Schünemann im Vorfeld des Castortransports davon spricht, es sei eine Zunahme von Straftaten und Gewaltakten zu befürchten, heizt er die Stimmung in unverantwortlicher Weise an.«

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