Solidarisch-praktisch oder politisch
Umsonstladenmacher diskutierten auf einem Treffen zur »Gib & Nimm«-Idee über ihre Zukunft
Rund 80 überwiegend selbstorganisierte Läden, in denen die Kunden nicht einen Cent bezahlen für das, was sie mitnehmen, gibt es bundesweit, weiß Johann Bergmann zu berichten. Der 50-jährige Bremer rief kürzlich zu einem Treffen aller Vertreter der »Gib & Nimm«-Idee auf. Dahinter steht die Vorstellung eines solidarischen Lebens jenseits der Konsumgesellschaft. »Jeder nimmt und gibt was er kann und wie es seinen Bedürfnissen entspricht«, erklärt Peter Weg aus Wien, der die lange Wegstrecke in den Norden nicht gescheut hat, um sich mit anderen in Workshops austauschen zu können. »Es geht aber auch um eine weitere Vernetzung aller Läden und Nutzungsgemeinschaften und all jener, die auf der Suche nach einer neuen Gesellschaftsform sind«, meint Bergmann.
Weniger theoretisch geht es im Umsonstladen »Null, Komma Nix« im Bremer Stadtteil Tenever zu, in dem Menschen aus über 90 Nationen zu Hause sind. Viele davon mit einem Einkommen, das keine allzu großen Sprünge erlaubt. Versteckt in einem der Hochhäuser liegt der Laden, aber fast jeder hier kennt ihn und die Betreiberinnen Silvia Suchopar und Karin Rese. Wie fast alle Umsonstläden hat auch dieser nur zweimal in der Woche auf. Mehr ist nicht drin, denn die Arbeit wird ehrenamtlich gemacht. Nur die Kosten für die Räume übernimmt die Wohnungsbaugesellschaft.
Die Türen sind kaum fünf Minuten geöffnet, da kommen auch schon die ersten »Kunden«, ein junger Mann ersteht Weingläser, eine ältere Dame Blumenkübel für den Balkon und eine junge Mutter Spiele für die Kinder. Jeder darf alle zwei Wochen drei Teile mitnehmen und muss sich in eine Liste eintragen. »Wir wollen verhindern, dass hier einige zu viel mitnehmen und das dann anschließend teuer auf dem Flohmarkt wieder verkaufen«, erklärt die 53-jährige Silvia Suchopar diese Regelung.
Doch es wird auch hier nicht nur genommen, sondern auch viel gegeben. Die 64-jährige Lucia Hopke bringt eine ganze Kiste voller Sachen, die sie nicht mehr braucht, die aber noch gut erhalten sind. Da ist zum Beispiel ein Gerät zum Messen des Zuckerspiegels im Blut und ein fast neuer Wasserkocher. Nachdem die in Brasilien geborene Frau gemeinsam mit den anderen die Kiste ausgepackt hat, setzt sie sich an den bereits gedeckten Kaffeetisch, denn auch das gehört dazu: das Miteinander. Inzwischen sitzen sechs Frauen bei frisch gekochtem Kaffee und Gebäck zusammen. Jede hat etwas mitgebracht. Der Laden ist eben auch ein Treffpunkt. Wohl auch deshalb haben ihn die Gründerinnen vor zwei Jahren in den Räumen des Bewohnerzentrums des Quartiers eingerichtet.
Willkommen ist jeder und es wird nie gefragt, ob der, der etwas mitnimmt tatsächlich bedürftig ist. Aber unpolitisch geht es auch hier nicht zu. Um Hartz IV, die »lumpigen« fünf Euro mehr drehen sich die Gespräche am Tisch und darum, ob es wirklich immer so wichtig ist, alles kaufen zu können oder ob es nicht auch Wesentlicheres im Leben gibt, wie Gespräche oder Zeit füreinander haben. Doch auch Wut kommt auf, denn letztlich ist die Existenz des Ladens der Not der Bewohner geschuldet. Die kleinen und manchmal doch so wichtigen Dinge des Lebens, wie Spiele für die Kinder oder etwas Schönes für den Kaffeetisch, lassen sich vom Regelsatz eben nicht bezahlen. Da führt der Weg dann in den Umsonstladen.
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