Stuttgart 21: Protest auf Rekordniveau
Schlichter Geißler optimistisch / Ministerpräsident Mappus will an Bahnprojekt nicht rütteln
Es werden immer mehr. Zur Großdemo gegen Stuttgart 21 zogen am Samstagnachmittag Zigtausende zu Fuß und auf dem Rad durch die Innenstadt der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Mehr als 100 000 sagen die Veranstalter, die Zahl der Polizei liegt wie üblich um ein Drittel darunter. Die Demo stand unter dem Motto »Erst Baustopp dann Gespräche!«. Schlichter Heiner Geißler (CDU) zeigte sich am Wochenende optimistisch, Gegner und Befürworter an einen Tisch zu bringen.
Morgen wird Geißler sich mit Vertretern des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 treffen. »Wir werden Herrn Geißler begrüßen. Aber Gespräche gibt es nur, wenn ein Bau- und Vergabestopp für alles, insbesondere das Wassermanagement im Schlosspark ausgesprochen wird«, bekräftigte Hannes Rockenbauch den Standpunkt des Aktionsbündnisses. Der Stadtrat der SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial) stellte klar, dass der Protest nicht aufhören werde, falls es zu Schlichtungsgesprächen komme: »Hier setzen Menschen sich für direkte Demokratie ein und die lassen sich nicht nach Hause verbannen.« Seine Rede wurde wiederholt von »Mappus weg!«-Sprechchören unterbrochen. Die werden seit dem »schwarzen Donnerstag«, wie die Stuttgart-21-Gegner den massiven Polizeieinsatz vom 30. September nennen, ständig skandiert.
In den Gesprächen mit Heiner Geißler wird der Polizeieinsatz wohl kein Thema sein. Das Ziel der Schlichtung lautet vielmehr, sämtliche Daten und Fakten auf den Tisch zu legen, um so endlich von einer einheitlichen Basis aus zu argumentieren. Schließlich ziehen Befürworter und Gegner des größten Infrastrukturprojektes Europas unterschiedliche Gutachten und Berechnungen für ihre Haltung heran. Geißler sieht gute Chancen, zu dieser »Sach- und Fachschlichtung« zu kommen. Nur so könne die Glaubwürdigkeit der Politik wieder gestärkt werden.
Ministerpräsident Stefan Mappus hat am Samstag in der »Stuttgarter Zeitung« in einem Offenen Brief noch einmal klar gemacht, dass er am Projekt selbst nicht rütteln will. Doch genau das ist das Ziel der Protestbewegung. Der Bahnexperte Karl-Dieter Bodack, der 25 Jahre lang führende Positionen bei der Bahn bekleidete und Mitentwickler des Alternativprojektes Kopfbahnhof 21 ist, machte den Zigtausenden auf der Demo am Samstag Hoffnung: »Mich hat eine Botschaft aus dem Bahntower erreicht und die lautet, wir hätten derzeit eine 50-Prozent-Chance, den unterirdischen Durchgangsbahnhof zu kippen. Ich glaube: Mit unserer hartnäckigen Friedfertigkeit werden wir diese Chance erhöhen.«
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