Musharraf wirbelt Staub auf

Exgeneral bietet sich Pakistans geplagter Bevölkerung als Retter an

  • Henri Rudolph, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.

Pakistans Exdiktator Pervez Musharraf hat mit der Gründung einer eigenen politischen Partei und etlichen öffentlichen Erklärungen für Wirbel auf der politischen Bühne in Islamabad gesorgt. Präsident Asif Ali Zardari versuchte am Montag, Ruhe in die Szene zu bringen, und versicherte, die Regierung werde ihre Amtszeit trotz aller »Verschwörungen politischer Schauspieler« vollenden.

Anfang des Monats hob General a. D. Musharraf, seit zwei Jahren im Londoner Exil, seine All-Pakistan Muslim League (APML) aus der Taufe. Pakistan befinde sich in einer tiefen Krise, begründete er seinen Schritt, das Land müsse gerettet werden. Rechtzeitig vor den nächsten Parlamentswahlen 2013 werde er in die Heimat zurückkehren und in der politischen Arena aktiv werden. Seine Partei wolle die »Vision« das Staatsgründers Mohammad Ali Jinnah von einer aufblühenden Nation wiederbeleben. Musharraf entschuldigte sich für Fehler, die er als Staatschef gemacht habe und die »negative Auswirkungen« auf das Leben der Menschen hatten. »Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und werde sie nicht wiederholen«, sagte er.

Es folgten verschiedene Interviews, die vor allem in der pakistanischen Armee und beim Nachbarn Indien aufhorchen ließen. Musharraf gab zu, dass Pakistan Rebellen für den Kampf im indischen Teil Kaschmirs ausgebildet hat, um den Nachbarn zu Diskussionen über den ungelösten Kaschmirkonflikt zu zwingen. Das war für die Inder zwar nur eine Bestätigung lange vorliegender Erkenntnisse, doch die hindufundamentalistische Indische Volkspartei (BJP) schlug sofort den Bogen zur Situation im Unionsstaat Jammu und Kaschmir, wo sich seit Monaten Sicherheitskräfte und Steine werfende Demonstranten blutige Schlachten – mit mehr als 40 Toten bisher – liefern. Nach Musharrafs »Geständnis«, fordert die BJP, müsse Delhi die »pakistanische Hand« bei den Unruhen stärker ins Kalkül ziehen.

Trotz des Dementis der Regierung und der Armee Pakistans legte Pervez Musharraf noch einmal nach und erklärte, in Pakistan würden militante Gruppen wie die Lashkar-e-Taiba (die hinter dem Terroranschlag 2008 in Mumbai steckt) als Freiheitskämpfer betrachtet. »Von unserem Standpunkt aus kämpfen sie einfach für Freiheit und Rechte der Kaschmiren. Und sie erhalten dafür große öffentliche Unterstützung,« erklärte er dem indischen Fernsehsender NDTV.

Offensichtlich sucht Musharraf die Gunst der Stunde für die reuevolle Rückkehr in die Politik Pakistans zu nutzen. Die Bevölkerung leidet immer noch unter den Folgen der Flutkatastrophe, die weit über ein Drittel des Landes heimgesucht hatte. Die Kritik an Präsident Zardari und Premier Jusuf Raza Gilani, die unfähig waren, koordinierend in die Rettungs- und Hilfsaktionen einzugreifen, ist längst nicht verstummt. Nach offiziellen Angaben kamen 1700 Menschen in den Wassermassen ums Leben, 20 Millionen waren direkt betroffen. Über acht Millionen wurden obdachlos. Sechs Millionen brauchen nach wie vor Nahrungsmittel- und andere Hilfe. Die verbreitete Unzufriedenheit ist verständlich, auch darüber, dass Zardari und Gilani behaupten, man sei dem Unglück »erfolgreich« begegnet und habe ein »robustes und umfassendes System zum Katastrophenmanagement etabliert«.

Vor diesem Hintergrund rechnet sich Pervez Musharraf nicht ganz zu Unrecht Chancen aus, wie Phönix aus der Asche als »Retter der Nation« aufzutauchen. Immerhin könnte er auf eine Menge Herrschaftswissen zurückgreifen: über den noch immer vom Militär beherrschten Machtapparat, über den Kampf der Streitkräfte gegen den Terrorismus im Grenzgebiet zu Afghanistan, über die Kollaboration von Gruppen im Geheimdienst ISI mit den Taliban und mit Al Qaida, über das Tauziehen zwischen den Parteien und die Versuche der Justiz , bis in die höchsten Ebenen reichende Korruptionsfälle aufzuklären. Voraussichtlich wird er weiter für Wirbel auf der politischen Bühne in Islamabad sorgen.

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