Mit Recycling gegen die Rohstofflücke

BDI-Rohstoffkongress: Industrievertreter klagten und Minister Brüderle stellte eine neue Strategie vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Kein Windrad dreht sich ohne seltene Metalle, kein Elektro-Auto fährt ohne Silizium: Die Industrie warnt, fehlende Rohstoffe könnten zur Aufschwungbremse werden. Der Wirtschaftsminister stellte auf einem Kongress in Berlin die neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung vor.

Berlin (dpa/ND). Die Regierung will gegen den Rohstoffmangel in der Wirtschaft die Bürger zu mehr Recycling von Elektroschrott anhalten. In alten Geräten sind oft wertvolle Metalle enthalten, die von der Industrie händeringend gesucht werden. »Mehr Recycling ist die wichtigste heimische Rohstoffquelle. Die Recyclingquoten können noch steigen«, sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Dienstag auf dem 3. Rohstoffkongress des Bundesverbandes der Deutsche Industrie (BDI) in Berlin. Es werde bereits an neuen gesetzlichen Regeln gearbeitet.

Der Aufkauf seltener Bodenschätze und Handelsbeschränkungen vor allem durch China haben Politik und Wirtschaft alarmiert. »Die Lage hat sich verschlechtert, die Existenz einiger Unternehmen ist gefährdet«, sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel.

Nach Angaben der Regierung könnten bald viele Haushalte spezielle Mülltonnen zur Wertstoffgewinnung bekommen. In einigen Städten wie Berlin sammeln Kommunen und private Unternehmen bereits gezielt Elektroschrott, weil die darin enthaltenen Metalle gute Preise bringen. Das Bundeskartellamt hatte kürzlich aber vor einem Quasi-Monopol der Kommunen und vor steigenden Müllgebühren gewarnt.

Brüderle sagte, Deutschland brauche mehr Intelligenz in der grauen Tonne. »Was technisch zum alten Eisen zählt, gehört noch lange nicht auf den Müll.« Mit dem Aufschwung und der steigenden Nachfrage werde der Kampf um Rohstoffe noch härter. »Der Rohstoffhunger der Welt wird weiter wachsen.« China und Indien seien wieselflink unterwegs und sicherten sich überall Vorkommen an seltenen Bodenschätzen. Brüderle schlug vor, dass die Welthandelsorganisation (WTO) auf Mindeststandards im Rohstoffhandel achten sollte. Auch auf G20-Ebene müsse mehr über dieses Thema gesprochen werden, um Spekulationen an den Rohstoffbörsen einzudämmen.

WTO-Generalsekretär Pascal Lamy sagte, die ungleiche Verteilung bei Rohstoffen könne zu internationalen Spannungen führen. Der oberste Hüter über den Welthandel räumte ein, dass er nur wenig dagegen tun könne. Disziplinarische Maßnahmen gegen WTO-Mitglieder – weil etwa China immer wieder hohe Exportzölle verhängt – seien leider nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung will strategische Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern eingehen. Grundsätzlich müssten die Unternehmen sich aber selbst helfen. »Ein VEB Rohstoffe passt nicht in unser Wirtschaftssystem und wird es mit mir nicht geben«, sagte Brüderle.

Die Wirtschaft, die jährlich Rohstoffe für 80 Milliarden Euro importiert, setzt ebenfalls auf Kooperationen – und reicht dem roten Drachen die Hand: »China ist kein Schreckgespenst. Wir wollen keinen Handelskrieg«, unterstrich Keitel.

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung stehe in krassem Widerspruch zu den Zielen in der Klima- oder Entwicklungspolitik, kritisierten Nichtregierungsorganisationen, die nicht zur BDI-Konferenz geladen waren. Silas Kpanan'Ayoung Siakor, Direktor des Sustainable Development Institute in Liberia, befürchtet, dass die Ziele nationaler Armutsbekämpfung in rohstoffreichen Entwicklungsländern unterminiert werden.


Lexikon

Seltene Erden sind metallische Grundstoffe. Im Periodensystem sind es 17 Elemente, darunter Scandium, Yttrium und Lanthan. Wegen ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften gelten sie als unentbehrlich etwa für Metalllegierungen und Spezialgläser. In vielen Schlüsseltechnologien spielen sie eine wichtige Rolle. Die Bandbreite reicht von Batterien über Mobiltelefone, Laser, Flachbildschirme bis hin zu Luftwaffensystemen. Auch für die Herstellung von Hybrid-Fahrzeugen sind die Seltenen Erden unverzichtbar.

Entdeckt wurden sie Ende des 18. Jahrhunderts in Schweden. Sie kamen in seltenen Mineralien vor und wurden als Oxide (Sauerstoffverbindungen, früher auch »Erden« genannt) isoliert. 97 Prozent dieser Spezialrohstoffe auf dem Weltmarkt stammen aus China, das die Ausfuhr nach Japan mittlerweile praktisch eingestellt hat. Auch Unternehmen in Europa und in den USA sind betroffen. Die Knappheit, die auch auf Engpässe bei der Förderung und Erschließung sowie auf steigende Nachfrage zurückzuführen ist, hat die Preise enorm steigen lassen. China begründet die Beschränkungen mit dem Umweltschutz und der Konsolidierung seiner Rohstoff-Industrie. EU, Japan und USA erwägen Klagen bei der Welthandelsorganisation. dpa/ND

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