Schwarz-Gelb will nach Plan integrieren

Der vierte Integrationsgipfel bringt heute im Kanzleramt ein Aktionspaket auf den Weg

Vorschläge für eine bessere Integration von Zuwanderern in Deutschland wurden in den vergangenen Wochen viele gemacht, eine Strategie der schwarz-gelben Koalition gibt es allerdings nicht. Ein Aktionsplan der Kanzlerin soll jetzt Abhilfe schaffen.
Kopftuch und Bundesadler – nicht jedem Politiker passt diese Kombination
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Seit 2006 lädt Angela Merkel Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien, Sport und Migrantenverbänden jährlich zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt. Das heutige Treffen ist ein besonderes, es steht ganz im Zeichen der von Thilo Sarrazin angestoßenen und hitzig geführten Integrations- und Zuwanderungsdebatte. Bisher wurde viel geredet, beschlossen aber hat Schwarz-Gelb – bis auf einige Änderungen im Aufenthaltsrecht – nichts Neues.

Das soll sich nun ändern. Merkel will am heutigen Mittwoch einen Aktionsplan zur besseren Integration von Migranten auf den Weg bringen. Der Plan soll im kommenden Jahr erarbeitet werden und auf dem 2006 initiierten Nationalen Integrationsplan aufbauen. Bestandteil des Aktionsplans sind unter anderem individuelle Integrationsvereinbarungen für Migranten. Festgestellt werden soll dabei nach Presseangaben ab kommendem Frühjahr, welche Sprachkenntnisse und Berufsabschlüsse ein Einwanderer hat. Danach sollen Integrationsziele bestimmt und ein Zeitpunkt festgelegt werden, bis wann diese erreicht sein müssen. Die Regelung soll zunächst für eineinhalb Jahre erprobt werden und für Menschen, die neu in die Bundesrepublik einwandern, gelten sowie teilweise für bereits in Deutschland lebende Ausländer. Zusammen mit Plänen zur schnelleren Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, die von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) auf dem Gipfel vorgestellt werden, sollen die Vereinbarungen zwischen Behörden und Migranten den akuten Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt verringern.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Klaus J. Bade, hat die geplanten Integrationsvereinbarungen begrüßt. Solche Verträge könnten auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden, auch von Schulen und Eltern. Bei Lernproblemen oder Fehlverhalten eines Kindes könnten dessen Eltern verpflichtet werden, sich mit Lehrern oder der Schulleitung zu unterhalten, so der Migrationsforscher. Kämen sie dieser Pflicht nicht nach, komme – wie in der Schweiz – die Schulaufsicht zu ihnen nach Hause.

Auf dem Gipfel, zu dem nach Agenturangaben rund 120 Teilnehmer erwartet werden, sind Sprache, Bildung, Arbeitsmarkt und Integration vor Ort die Hauptthemen. Die Kanzlerin hat noch vor Beginn des Spitzentreffens die Marschrute festgelegt: In den kommenden fünf Jahren soll es allen Zuwanderern ermöglicht werden, einen Integrationskurs zu besuchen. 2015 sollen zudem alle Kinder mit Migrationshintergrund zum Schulbeginn Deutsch sprechen können. Außerdem sieht Merkels Plan vor, die Zahl der Schulabbrecher unter Migranten auf das Niveau deutscher Jugendlicher zu senken. Laut aktuellem Integrationsbericht verlassen rund 13 Prozent der Migrantenkinder die Schule ohne Abschluss, dagegen schmeißen »nur« sieben Prozent der deutschen Kinder die Schule ohne Abschluss.

Vermutlich wird auch das umstrittene Punktesystem auf dem Integrationsgipfel ein Thema sein. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) will den Fachkräftemangel durch Zuzug ausländischer Facharbeiter ausgleichen. Dazu soll ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild eingeführt werden, um die Einwanderung in Zukunft steuern zu können. Doch das System ist in der schwarz-gelben Koalition umstritten. CSU-Politiker sprechen sich offen dagegen aus. Die Christsozialen haben sich am vergangenen Wochenende darauf verständigt, der Ausbildung arbeitsloser Arbeitnehmer aus Deutschland Vorrang vor der Anwerbung ausländischer Facharbeiter zu geben. Außerdem befürwort die Partei eine härtere Gangart gegen sogenannte Integrationsverweigerer, bekennt sich zu einer »deutschen Leitkultur« und lehnt es ab, die Bundesrepublik als Zuwanderungsland anzuerkennen. Eine Auffassung, die besonders Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Justizministerin im Kabinett von Angela Merkel, übel aufstieß. »Die CSU verschließt die Augen vor der Realität des Einwanderungslandes Deutschland«, empörte sich die Politikerin.

Auch Niedersachsens Integrationsministerin Aygül Özkan (CDU) äußerte sich zum Punktesystem skeptisch. Im Gegensatz zur CSU aber setzt sich die Unionspolitikerin mit türkischem Migrationshintergrund für eine Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften ab. Sie erwartete auf dem Integrationsgipfel ein Signal der Wirtschaft, sich künftig stärker für Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen. Es sei sinnvoll, so Özkan, einen Kriterien-Katalog für Zuwanderung zu erarbeiten. Es könne Vorgaben geben, in welchen Branchen und Regionen Migranten gebraucht werden und welche Qualifizierungen notwendig seien, sagte die CDU-Frau.

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