Auf Augenhöhe
Die Filmreihe »ueber Mut« will Wege aus Ausgrenzung und Unterdrückung aufzeigen
Aktive Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen gehört zu den Idealen des Gesellschafter-Projekts, einer von der Aktion Mensch, den Wohlfahrtsverbänden, von Verbänden der Behinderten- (selbst)hilfe, Umweltschutzorganisationen und Netzwerken für Jugendbildung getragenen Initiative.
»Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen«, zitierte Heribert Prantl, Innenressortleiter der Süddeutschen Zeitung, bei der Gründungsveranstaltung des Gesellschafter-Projekts vor vier Jahren die Präambel der Schweizer Verfassung. Inklusion statt Ausgrenzung sind denn auch Schlüsselworte der Filmreihe »ueber Mut«, der titelgebende Mut ein wesentlicher erster Schritt auf dem Weg dorthin.
»Ueber Arbeiten«, »ueber Morgen«, »ueber Macht« hießen vieldeutig die ersten drei Filmreihen der Gesellschafter. Auch »ueber Mut« stellt wieder die Frage nach der Gesellschaftsordnung, in der wir leben möchten, und zeigt Wege, auf denen der Einzelne mitwirken kann, sie herbeizuführen. Wege, mit den biologischen Zumutungen von hohem Alter und Pubertät fertig zu werden, mit Behinderungen, mit Obdach- und Arbeitslosigkeit, mit Übergriffen von außen, mit der Verzerrung des Rechts und der Unterdrückung eines ganzen Volkes.
Um missbrauchte Kinder in Südafrika geht es da, die von den Mitarbeiterinnen einer spendenfinanzierten Hilfsorganisation vor weiteren Übergriffen gerettet und mit HIV-Prophylaxe versorgt werden, in »Rough Aunties« der britischen Dokumentarfilmerin Kim Longinotto. Um ein palästinensisches Dorf, dessen Frauen und Kinder in der ersten Reihe stehen, wenn es gilt, sich den israelischen Bulldozern entgegenzustellen, die aus ihren Olivenhainen planierten Baugrund für die israelische Mauer machen sollen, in »Budrus« von Julia Bacha (USA 2010). Oder um ein junges Paar mit Down Syndrom, das gemeinsam stark in die Zukunft gehen möchte und heiratet, auch wenn die Nähe von helfenden Händen und verständnisvollen Arbeitgebern ein Leben lang vonnöten sein wird, im amerikanischen Dokumentarfilm »Monica und David« von Alexandra Codina.
Der Eröffnungsfilm der Reihe, »Fritz Bauer – Tod auf Raten« der immer streitbaren Ilona Ziok, präsentiert einen herausragenden Einzelnen als moralisches und politisches Vorbild. Der gesellschaftlich engagierte hessische Generalstaatsanwalt Bauer brachte 1952 den Prozess der Rehabilitierung der Juli-Attentäter gegen Hitler in Gang und sorgte 1960 dafür, dass Eichmann in Israel der Prozess gemacht werden konnte – und eben nicht in Deutschland, weil Bauer dem deutschen Justizapparat noch nicht traute. Und er schickte sich an, nach den Auschwitz-Schergen auch die Täter der Euthanasie-Politik der Nationalsozialisten vor Gericht zu bringen. Fritz Bauer starb 1968 unter nicht ganz geklärten Umständen.
Die Kanadierin Laura Bari nutzt für ihren Blindenfilm »Antoine« eine andere Strategie. Sie bleibt auf Augenhöhe ihres vietnamesischstämmigen Titelhelden, der in seiner Schule unter lauter nicht-blinden Kindern lernt, sich in der Welt der Sehenden zurechtzufinden. Bari folgt ihm auch außerhalb der Schule in die Welt seiner Fantasie und sensorischen Sensibilitäten, bis in seine zweite Identität als Detektiv auf der Suche nach einer verschwundenen Fantasieperson. Am Ende verkündet im Abspann einer seiner Mitschüler stolz und völlig zu recht: »Antoine ist blind, aber er hat einer Erwachsenen geholfen, einen Film zu machen.« Ein spannendes Beispiel von Inklusion auch auf der filmästhetischen Ebene.
4.-14.11., jeweils mit Diskussion, Zeughauskino, Unter den Linden 2 (Eingang Spreeseite), Kinokasse Tel. 203 04 – 770 oder www.dhm.de, Filminfo unter www.diegesellschafter.de
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