Vierte Welt

Die Welt verbessern

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.

Zurück in die Realität wollte der Theatermacher Dirk Cieslak. Daher hat der Gründer der Gruppe »Lubricat« und der Sophiensaele seine angestammten Produktionsstandorte in den von zunehmendem Wohlstand sedierten Stadtbezirken Mitte und Prenzlauer Berg aufgegeben und eine neue Arbeitsplattform am Kottbusser Tor aufgebaut. Er nennt sie »Vierte Welt« – in Analogie zur einstigen Bezeichnung der ganz armen Länder auf dem Globus, aber auch als Versprechen an einen utopischen Ort.

Die Eröffnungsproduktion »Das Heim« erweist sich tatsächlich als eine diskursive Maschine zur Weltverbesserung. In ihrem Herzen hat das Nachdenken über den Mangel seinen Sitz. In einer Nähstube, die Assoziationen an asiatische Sweat Shops erweckt, genauso gut an frühere Strickorgien auf Parteitagen der Grünen oder einfach ein Arbeitszusammenhang armer Künstler erinnert, reden und streiten Cieslak selbst, die Performerin Rahel Savoldelli sowie die Mitglieder der Musik- und Performancetruppe »Maiden Monsters«, Doris Kleemyer und Tanja Krone, über den Mangel: den Mangel an Geld, an Macht, an Aufmerksamkeit, an Perspektive, an Einfluss.

Dabei verlieren sie sich in Debatten, die wie eine Satire auf endlose Plena wirken. Das wahrlich nicht einfache Kunststück, auf der Bühne offenes Denken zu zeigen und gleichzeitig zum Mitdenken zu animieren, misslingt oft, weil die Protagonisten zu ungenau und zu allgemein argumentieren. Das ist schade, denn die Konstruktion selbst ist vielversprechend.

Zwei Jahre gibt sich Lubricat Zeit, um am neuen Spielort laut eigenem Manifest eine künstlerische Alternative zum »Menschen- und Projekteverwertungsfleischwolf eines totalen Marktes« entwickelt zu haben. Das Ziel ist großartig. Doch die »Vierte Welt« wirkt noch wie ein Raumschiff, das gerade auf dem fremden Planeten »Kotti« gelandet ist. Wenn einige der so versteinert anmutenden türkischen und arabischen Männer, die im Spielsalon nebenan sitzen, herüberkommen und ihre Erfahrungen in die theatrale Diskursmaschine einwerfen, würde sich die »Vierte Welt« von einem zwar ernsthaft gemeinten, aber kokett wirkenden Kunstprojekt in einen Motor der Veränderung verwandeln.

18.-20.11., 20 Uhr, Vierte Welt, Neues Kreuzberger Zentrum, Galerie 1. OG, Zugang: Adalbertstr. 96

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