Hunger in den USA ein Problem?

Jahresbericht des Landwirtschaftsministeriums offenbart Rekordstand

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Zahl der US-Amerikaner, die an Hunger leiden, hat eine traurige Rekordhöhe erreicht. Dies geht aus dem Jahresbericht zur Ernährungssituation hervor, den das Landwirtschaftsministerium seit 15 Jahren erstellt. Im Vergleich zu 2008 ist die Zahl der Hungernden 2009 zwar nur um ein Zehntelprozent gestiegen, aber seit 2006 hat sich die Zahl verdreifacht.

Das Amt errechnete, dass 14,7 Prozent der Haushalte Probleme haben, ein oder mehrere Familienmitglieder täglich ausreichend zu ernähren. Von insgesamt 45 Millionen Menschen, die dauerhaft oder zeitweise an Hunger leiden, sind dem Bericht zufolge ein Drittel schwer betroffen. Mindestens ein Mitglied dieser Haushalte sei gezwungen gewesen, weniger zu essen oder billigere Nahrungsmittel minderer Qualität zu kaufen. Schockierend ist vor allem, dass eine Million Kinder unter diesen Verhältnissen aufwachsen.

Besonders betroffen von der »unsicheren Ernährungssituation«, wie es im Bericht heißt, sind alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern sowie Latinos und Afroamerikaner. Hunger und Armut sind auf dem Lande größer als in städtischen Ballungsräumen. In den ärmsten Gruppen hat ein typischer Haushalt einige Tage pro Monat oder sieben Monate im Jahr zu wenig zu essen.

Wer als Tourist durch New York schlendert, dem fallen hungernde Amerikaner nur in Ausnahmefällen auf: wenn Menschen in Müllkörben verstohlen nach Essbarem wühlen oder wenn sich vor Kirchen oder Suppenküchen Schlangen bilden. In den Vorstädten oder auf dem Land wird das Hungerproblem am Monatsende in den letzten Stunden vor Mitternacht deutlich. Dann füllen sich die durchgehend geöffneten Lebensmittelläden mit Menschen, die ihre Einkaufswagen füllen. Denn eine Sekunde nach Mitternacht zum Monatsersten überweisen die Bundesbehörden Gelder für Essensgutscheine auf Bankkarten. Ohne diese Ernährungsprogramme, die auch Mittagessen an Schulen oder in Suppenküchen subventionieren, stünden die USA vor einer Hungersnot. Allein die Zahl der Amerikaner, die monatlich auf Essensgutscheine angewiesen sind, erreichte diesen Sommer mit 42,4 Millionen eine neue Rekordhöhe. Das ist einer von acht US-Amerikanern.

Aber selbst das löchrige soziale Auffangnetz steht unter Beschuss rechter Marktfundamentalisten. Das »Supplemental Nutrition Assistance Program« (SNAP), wie die Gutscheine heißen, war 2009 im Rahmen der Konjunkturspritzen erweitert worden. Doch in den kommenden Wochen wird das 4,5 Milliarden Dollar umfassende Nothilfepaket wieder aufgeschnürt werden. Der Druck der Republikaner, Ausgaben zu kürzen, ist seit ihrem Erfolg bei den Zwischenwahlen Anfang November größer geworden. Robert Rector, »Hungerexperte« der einflussreichen ultrarechten »Heritage Foundation«, gab als Reaktion auf den Bericht die Stoßrichtung bereits an. Die Bundesbehörden würden »die Hungerzahlen um der politischen Wirkung willen deutlich übertreiben«, erklärte er.

Ein weiterer Bericht ging derweil in den USA-Medien unter. Demnach haben 47 Millionen Menschen im »reichsten Land der Erde« keine Krankenversicherung, sieben Prozent mehr als im Jahr 2006. Der Bericht des Zentrums für Seuchenkontrolle CDC ergab darüber hinaus, dass 40 Prozent der Befragten wegen der steigenden Kosten eine ärztliche Behandlung ausgelassen haben.

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