Herkulesaufgabe beim Stromnetz
Zweite Dena-Studie: 1700 bis 3600 Kilometer neue Leitungen sind erforderlich
Aus Sicht der Dena liegt vor den Betreibern der deutschen Stromnetze eine Herkulesaufgabe. Bis zum Jahr 2020 müssten neue Leitungen über enorme Strecken gebaut werden. Die Szenarien in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie variieren zwischen 1700 und 3600 Kilometern – die Erfahrung deutet darauf hin, dass dies nicht zu schaffen sein wird. Denn bereits vor fünf Jahren hatte die Dena in ihrer ersten Netzstudie einen Bedarf von 850 Kilometern bis 2015 ermittelt. Der Halbzeitstand ist dürftig: Gerade mal 90 Kilometer wurden bislang fertiggestellt.
Der Grund für die Verzögerungen: Anwohner wehren sich gegen Überland-Leitungen, die Genehmigungsverfahren ziehen sich über Jahre hin. Dabei wird ein neues Netz gebraucht, um den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu gehen. Immer mehr Strom wird aus Wind oder Sonne produziert – aber nicht dort, wo er benötigt wird. In Nord- und Ostsee entstehen Windparks, der Strom muss gen Süden transportiert werden.
Dem stimmen auch Umweltschützer zu. Streit gibt es allerdings über den tatsächlichen Bedarf an neuen Leitungen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält die Zahlen der Dena für übertrieben. Die Prognose basiere auf »fragwürdigen Annahmen und unklaren Szenarien«. Der Umweltverband fordert, sämtliche zugrunde liegenden Daten öffentlich zu machen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht die Dena-Studie nicht ganz so kritisch. Sie zeige schließlich, dass 1700 Kilometer an neuen Leitungen ausreichten. Der Trassenbau müsse auf das wirklich notwendige Maß beschränkt und sozial- und naturverträglich gestaltet werden.
Das wäre nach den Berechnungen der Dena allerdings fast doppelt so teuer, weil in dem Fall auch die bestehenden Trassen mit Hochtemperaturseilen ausgerüstet werden müssten, damit sie mehr Strom transportieren können. In diesem Szenario müssten nur 1700 Kilometer neu gebaut, aber weitere 5700 Kilometer nachgerüstet werden. Außerdem seien die Betriebskosten höher als beim Netzausbau mit herkömmlichen 380-Kilovolt-Drehstrom-Freileitungen.
Der Effekt auf den Strompreis wäre dennoch vergleichsweise gering. Die Gebühr für die Nutzung des Stromnetzes würde laut Dena-Studie um 0,2 bis 0,5 Cent pro Kilowattstunde steigen. Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden würde im schlimmsten Fall rund zwei Euro pro Monat draufzahlen. Und laut der DUH ließe sich dies durch mehr Wettbewerb am Strommarkt kompensieren. Zum Vergleich: Ab Januar kostet der Strom im Durchschnitt fast sieben Euro mehr.
Der Netzausbau hängt auch von den politischen Rahmenbedingungen ab. Die Dena fordert eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens und wirbt für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Naturschutzbund glaubt, dass dies nur zu erreichen sei, wenn die neuen Stromleitungen für eine umweltfreundliche Zukunft benötigt würden – und nicht für zusätzlichen Atomstrom.
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