Die Renaissance der Rübe

In Lalendorf bei Güstrow sollen Zuckerrüben zu Gas und Ethanol werden

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Gut zwei Jahre ist es her, dass die Zuckerfabrik in Güstrow geschlossen wurde. Es sah aus wie das Ende des Zuckerrübenanbaus im Nordosten – nun aber wollen die Bauern Energie statt Zucker aus den Rüben machen.

Gerade zweieinhalb Jahre ist es her, dass im Osten mal wieder die Lichter ausgingen. Über 100 Jahre hatte man Rüben zu Zucker verarbeitet in der »Barlachstadt«. Doch was bis dahin alle Kriege und Reiche überlebt hatte, sollte nun nicht mehr zu halten sein: Wegen Quotenkürzungen auf dem EU-Zuckermarkt, vor allem aber auch aufgrund einer mangelnden Lobby des Ostens im Nordzucker-Konzern wurde die Güstrower Rübenfabrik statt eines westdeutschen Standortes geschlossen.

700 000 Tonnen Rüben im Jahr hatte die Fabrik, die lange als Europas größte ihrer Art gegolten hatte, zuletzt verarbeitet. Trotz aller Tradition sah es nach ihrem Ende sehr düster aus für den Anbau der Zuckerrübe im Nordosten. Was nicht nur ökonomisch eine Katastrophe mehr gewesen wäre, sondern auch ökologisch: Als Tiefwurzler spielt die Rübe eine wichtige Rolle in der Fruchtfolge.

Doch 13 der damals insgesamt rund 1200 Rübenbauern im Land begannen frühzeitig gegenzusteuern: Im November 2007 gründeten sie die »Norddeutsche Rüben AG« – als Ausweg aus dem engen Zuckermarkt. Ziel der Rüben AG, die »zur Sicherung der Selbstbestimmung« nur Rübenbauern als Anteilseigner zulässt, war nichts weniger, als den Rübenanbau von Zucker auf Ethanol umzustellen – und den Bauern so eine Zukunft jenseits des schwierigen Zuckermarktes zu ermöglichen.

Jetzt ist der erste Schritt getan: Im Gewerbegebiet von Lalendorf wurde am Freitag der Grundstein für eine erste kombinierte Biogas- und Bioethanol-Anlage gelegt, wo »bis zu 150 000 Tonnen Zuckerrüben zu Biogas und Bioethanol ganzjährig verarbeitet« werden sollen, wie der Unternehmensberater Lutz Golz, Vorstand der Rüben-AG, erklärt. Zunächst entstehe eine »hochmoderne Biogasanlage zur Monovergärung von Zuckerrüben«. Die Ethanolanlage soll Ende 2012 fertig werden.

Dabei wollen es die Rübenbauern aber nicht belassen. Drei weitere Standorte seien schon in Vorbereitung, heißt es bei der Rüben-AG zu den weiteren Aussichten. In den nächsten Jahren soll eine Verarbeitungskapazität von 600 000 Tonnen Zuckerrüben aufgebaut werden. »Das ist die Menge, die mit dem Wegfall der Zuckerfabrik Güstrow der Landwirtschaft verloren gegangen ist«, so Golz.

Mit ihrem ehrgeizigen Programm beschreitet die Rüben-AG teils sogar technisches Neuland, das in Kooperation mit der Rostocker Uni in Angriff genommen wurde. Unter anderem die Lagerung stellt die Rübenbauern vor Schwierigkeiten, da Zucker nur saisonal in den sogenannten Kampagnen verarbeitet wird, während die »Energierüben« ganzjährig zur Verfügung stehen müssen. Dazu wollen die Rübenbauern durch ein Team von Ingenieuren und Wissenschaftlern ein »völlig neues Verfahren« entwickeln, »dass eine höhere wirtschaftliche Effizienz erwarten lässt und patentrechtlich geschützt werden soll«. Auch bei der Ethanolgewinnung soll dabei ein neuer Weg gefunden werden: Die Rüben werden über eine Fermentierung zu Ethanol verarbeitet – weit weniger energieintensiv als der herkömmliche Weg über die Dicksaftproduktion.

Immer mehr Rübenbauern entschließen sich, diesen Weg mitzugehen, sagt Golz. Ihnen geht es um eine wirtschaftliche Zukunft. Die Rüben AG aber sieht sich auch als Zukunftsunternehmen in Sachen Klimapolitik – und als Lösung für deren Widersprüche. Nicht zuletzt könnte der Energierübenanbau nämlich der »Vermaisung« der Landwirtschaft rund um die Biogasanlagen entgegenwirken, die in Schwerin zuletzt parteiübergreifend beklagt wurde.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -