Genüssliches Spiel um persönliche Freiheit

Im Stadtbad Steglitz tobt Dario Fos »Offene Zweierbeziehung«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Begeistern im 70-Minuten Dauerkampf
Begeistern im 70-Minuten Dauerkampf

Etwa in der Mitte seines knapp drei Dutzend Stücke zählenden OEuvres steht Dario Fos Komödie »Offene Zweierbeziehung«. Als der höchst amüsante verbale Schlagabtausch eines Ehepaars in Krise das Licht der Welt erblickte, 1983, waren Fo und seine Coautorin Franca Rame schon fast drei Jahrzehnte verheiratet. Sie wussten offenbar, worüber sie schrieben. Bei soviel Realitätsnähe wundert nicht, dass beider vielleicht auch aus gegenseitiger Rache verfasste Kreation zu einem der weltweit meistgespielten Theaterspektakel wurde. Funkelnder Wortwitz und knochentiefe Kenntnis besonders der Spezies Mann, um die das Scharmützel hauptsächlich geht, empfehlen den gepfefferten Dialog für ein ungewöhnlich agiles Darstellerpaar. Stefan Neugebauer vom clubtheater-berlin hat es gefunden und die Commedia des Nobelpreisträgers von 1997 fürs Stadtbad Steglitz in Szene gesetzt.

Im Café Freistil beginnt der Abend: mit einem Diavortrag über die Ehe, ihre Historie, Scheidungsgründe und, Wort des Tages, serielle Monogamie als Lebensstil der Zukunft. Dann die Party: in der Küche, die früher, in Bad-Zeiten, zur Wäscherei gehörte. Fein gemacht mit weißem Smoking hat sich der namenlose Mann, verteilt Prosecco, wartet auf Antonia, die singen soll. Die aber hält sich im Badezimmer verschanzt, will sich mit Pillen das Leben nehmen. Er rüttelt an der Tür, nur mäßig geschockt, denn das passiert permanent. Wir sind mitten im Ehealltag. Wie der läuft, spult sich in Einzelszenen ab. Aus dem Fenster, und der Raum hat wirklich eins, wollte Antonia springen, der Mann rettet sie, legt sie, umklammert, auf dem Teppich ab. Sie will Sex, er lediglich etwas trinken. Wieder eine verpasste Chance, sie fühlt sich unbegehrt, weil er seine Triebe außerhäusig auslebt, dafür fadenscheinig sogar politische Gründe ins Feld führt. Nur seine Antonia liebe er wirklich – wie eine Mutti. Das bringt sie noch mehr in Rage. Als er sie berühren will, lehnt sie verletzt ab. Eine offene Zweierbeziehung mag sie nicht: Darauf aber läuft alles hinaus. Aus Liebe wird sie seine Sekretärin, koordiniert am Telefon die Treffs des Gatten mit seinen jugendlichen Geliebten – in der eigenen Wohnung. Bis Antonias Sohn rät, auch sie solle sich auf die Pirsch begeben. Fitness, Fummel, Kosmetik, junge Freunde im Sohnesalter, und dennoch ein weiterer Versuch, den Gatten zurückzugewinnen. Beim launigen Essen auf dem Boden wäre das fast gelungen, hätte er Antonia nicht gebeten, wegen einer Spirale mit seiner jungen Freundin zum Arzt zu gehen.

Dann funkt es bei Antonia. Bei ihrer Arbeit im Therapiezentrum lernt sie ihn kennen: Physikprofessor, gitarrespielender Rocker und Komponist. Liebe auf den ersten Blick. Als er sie besuchen kommt, schickt sie den Mann weg. Der ahnt, dass es ernst wird. Rasend vor Eifersucht aus gekränkter Männerehre verweigert er sich, droht, fleht, will sich in der Badewanne mit dem Föhn das Leben nehmen. Da hämmert Antonia an die Badtür. Dennoch ist sie nicht mehr sein williges Eigentum. Die Story mit dem Physiker sei nur erfunden, tröstet sie ihn, doch als er sofort ins alte Verhalten umkippt, er habe ja die Sicherung vorm Wannengang ausgedreht, die Belohnung: Der Professor holt Antonia ab, mit offenem Mund endet für den Mann die offene Zweierbeziehung.

Gut 70 Minuten Dauerkampf können Alexander Klages als Stadtbad-bewährten Mann und den clubtheater-Neuzugang Kira Primke als Antonia nicht erschöpfen. Wie viele Zwischentöne sie dem teils deftigen Text abgewinnen, wie Liebe, und sei es nur Gewohnheit, doch immer wieder durchbricht, selbst die Hassattacken so etwas wie Geborgenheit enthalten, das würzt die äußerlich grelle und laute Farce mit subtiler Realerfahrung. Spaß mit viel Tiefgang.

Wieder am 16.-18., 31.12., Stadtbad Steglitz, Bergstr. 90, Kartentelefon 79 74 80 28, Infos unter: www.stadtbad-steglitz.de

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