»Ich will das tiefe Blech hören!«

In Leipzig lernen Kinder am Gymnasium Saxofon, Tuba und Trompete

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Zusammen musizieren: die Fünftklässler des Leipziger Kant-Gymnasiums
Zusammen musizieren: die Fünftklässler des Leipziger Kant-Gymnasiums

»Ich will das tiefe Blech hören! Aber nicht zu viel, das ist kein Wettbewerb!« Musiklehrerin Anja Philipp dirigiert Fabian, Luca, Tano und die anderen mit dem Taktstock. Die schauen aufmerksam nach vorn, wollen ihren Einsatz nicht verpassen. Das ist manchmal schwierig, denn die Fünftklässler des Leipziger Kant-Gymnasiums lernen erst seit August, seit Beginn des neuen Schuljahres, zweimal pro Woche ein Blasinstrument. Der elfjährige Fabian Fröhlich zum Beispiel begeistert sich für das Saxofon: »Ich wollte schon immer ein Blasinstrument lernen.« Tano Kannegießer ist 10 und spielt wie sein Freund Luca Boeckler die Trompete. Tano hat gleich zu Beginn des Unterrichts, als die Kinder jedes Instrument ausprobieren durften, am meisten Spaß mit der Trompete gehabt und auch gleich Töne rausgebracht: »Außerdem ist die nicht so riesig«, fügt er hinzu. Fabian, der auch Schlagzeug an der Musikschule in Leipzig lernt, meint, dass das Spielen in der Klasse mehr Spaß macht.

Dem stimmen die anderen Kinder mit begeistertem Kopfnicken zu. Und auch Lehrer Wilfried Thoß findet, dass die Fünftklässler nach der bisher kurzen Zeit gut zusammenspielen. Er arbeitet wie seine Kollegin Anja Philipp an der Leipziger Musikschule »Johann Sebastian Bach« und gibt dort vor allem Einzelunterricht: »Für das Projekt hier am Gymnasium habe ich mich gemeldet, weil mich interessiert hat, wie es ist, wenn alle gleichzeitig bei null anfangen.«

Der Unterricht findet in Ergänzung des regulären Musikunterrichts statt, Klassen- und Musiklehrerin Hildrun Becker nimmt ebenfalls daran teil und sieht die Fortschritte ihrer Schützlinge. Welche Instrumente sind besonders begehrt? »Das Saxofon, weil die Kinder es cool finden, und natürlich das Schlagzeug, das ist nur einmal da.«

Das Projekt »Klassenmusizieren mit Blasinstrumenten« gibt es seit etwa anderthalb Jahren am Leipziger Immanuel-Kant-Gymnasium, das derzeit ein Interim in der Ratzelstraße nutzt. Projektleiter Matthias Wiedemann erzählt, welche Idee dahinter steckt: »Wir wollen Kindern, die vielleicht bis jetzt nicht den Weg in die Musikschule gefunden haben, an ein Instrument heranführen.« Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Klasse soll gestärkt werden.

Kerngeschäft der Musikschule, an der etwa 7800 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, sei das Projekt nicht, »aber es liegt uns sehr am Herzen.« So erhält eine 6. Klasse am Kant-Gymnasium jetzt schon das zweite Jahr den erweiterten Musikunterricht, die oben erwähnte 5. Klasse hat im August 2010 damit angefangen. Die Musikschule Leipzig verfolgt weitere Projekte ähnlicher Art. So gibt es Streicherklassen an zwei Gymnasien und vier Gitarrenklassen, ebenfalls an einem Gymnasium.

Die ganze Sache ist nicht zuletzt eine Kostenfrage. Immerhin kostet ein kompletter Klassensatz – Flöten, Saxofon, Klarinette, Trompeten, Tuba, Tenorhorn und Schlagzeug – zwischen 30 000 und 35 000 Euro. Matthias Wiedemann: »Wir als Musikschule sind in der komfortablen Lage, einen kompletten Klassensatz zur Verfügung stellen zu können.« Den nutzt die 6. Klasse des Kant-Gymnasiums. Für den zweiten Klassensatz nahm der Förderverein der Schule einen Kredit auf. Für die Kinder beziehungsweise deren Eltern ist der Unterricht kostenfrei, sie zahlen lediglich 28 Euro pro Monat für die Ausleihe der Instrumente. Denn Fabian, Tano, Luca und die anderen nehmen sie mit nach Hause, um zu üben.

Nur Spaß ist die Sache für sie nicht. Eltern, die ihre Kinder am Kant-Gymnasium für die 5. Klasse anmelden, erhalten die Information, dass ihre Tochter oder ihr Sohn ein Blasinstrument erlernen kann. Matthias Winkelmann von der Leipziger Musikschule: »Es gibt eine hohe Verbindlichkeit.« Das heißt, wer sich einmal dafür entscheidet, muss die zwei Jahre dabeibleiben. Danach ist allerdings Schluss, zumindest was den Unterricht direkt im Gymnasium betrifft. Gern können die Kinder aber ihr Instrument weiter lernen, dann regulär an der Leipziger Musikschule. Dass einige es tun werden, scheint sicher. Hildrun Becker, die Klassenlehrerin der 5. Klasse, erzählt: »Kürzlich sagten Mädchen in der Hofpause zu mir, heute ist ein schöner Tag, heute haben wir Musik.«

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