Arme helfen Armen
Die Arbeitsvermittlung im Rahmen des Projekts Vida Activa verschafft Joblosen Perspektiven
ND: Jede der acht Projektgemeinden von Vida Activa (Aktives Leben) konnte zwei Kandidaten aus ihrer Favela für die Tätigkeit als Arbeitsvermittler vorschlagen. Vor einem Jahr haben Sie Fortbildungskurse beim Zentrum zur Beratung der Basisbewegung (CAMPO) gemacht – Datenverarbeitung, Arbeitsrecht, Personalwirtschaft, Training für Vorstellungsgespräche und wie ein Lebenslauf aussehen muss. Hat Ihnen das geholfen?
Lucimar: Vor einem Jahr waren wir völlig ahnungslos, worauf wir uns da einlassen. Und heute, ein Jahr später, sind wir Cracks und haben inzwischen fast 200 Menschen in ordentliche Jobs gebracht.
Carlos Henrique: Vieles mussten wir einfach ausprobieren, erfahren, das konnten wir über Fortbildung nicht bekommen. Am Anfang waren wir zum Beispiel immer unsicher, wie wir von den Unternehmen empfangen würden, die wir besuchten. Aber wir wurden überall sehr freundlich und kooperativ aufgenommen.
Ursprünglich sollte die Vermittlertätigkeit auf die Absolventen der eigenen Berufsbildungskurse hier in der Projektregion beschränkt werden. Heute bekommen Sie Anfragen von Unternehmen aus Bangu, 50 Kilometer von hier, oder von Arbeitssuchenden aus Oswaldo Cruz, was auch nicht gerade um die Ecke ist. Wie erklären Sie sich diesen nicht selbst- verständlichen Erfolg?
Lucimar: Wir machen hier eine gute Arbeit. Das wichtigste dabei ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn die Arbeitssuchenden und die Unternehmen mit uns zufrieden sind, empfehlen sie uns weiter. Unsere Plakate hängen in vielen Einrichtungen, weit über die eigentliche Projektregion hinaus. Wir drei hier sind gar nicht in der Lage, alle Anfragen von außerhalb zu bearbeiten. Deshalb wird ein Teil der Vermittlung von der 37-jährigen Elisangela Bandeira in der Geschäftsstelle des von CAMPO in Rio abgewickelt.
Sie haben ein Netz von Unternehmenskontakten aufgebaut, wozu?
Jurema: Ja, inzwischen haben wir elf Partnerunternehmen, darunter Schwergewichte wie die Gruppe Pão-de-Azucar oder die französische Carrefour-Supermarktkette. Die Unternehmen verpflichten sich, eine bestimmte Anzahl von Arbeitssuchenden aufzunehmen. Wir bemühen uns, die Unternehmen vertraglich so einzubinden, dass wir bei unserer Öffentlichkeitsarbeit ihr Firmenlogo benutzen können. Das klappt nicht immer. Pão-de-Azucar zum Beispiel hat es nicht gemacht.
Ein Jugendlicher kommt zu Ihnen, sucht Arbeit. Was passiert?
Lucimar: Er muss seinen Lebenslauf vorlegen und wir sprechen mit ihm darüber. Unser größtes Problem ist das absolut niedrige Bildungsniveau. Viele kommen aus dem Nordosten, schreiben in ihren Lebenslauf rein, sie hätten Mittelstufenabschluss, können aber kein Zeugnis vorlegen. Bei der Einstellungsprüfung, die die Unternehmen machen, stellt sich dann heraus, dass sie vor allem in Mathematik und Portugiesisch große Schwierigkeiten haben.
Wie kann geholfen werden?
Carlos Henrique: Wir weisen die Arbeitssuchenden auf Fortbildungs- und Berufsbildungsmöglichkeiten hin, die von den acht kommunitären Projektzentren angeboten werden. Wir haben hier auch schon Portugiesisch- und Mathematikkurse angeboten. Nach einem Jahr ist die CCE recht bekannt, es haben sich inzwischen fast tausend Arbeitssuchende bei uns registrieren lassen, auch aus Favelas, die zwei Autostunden entfernt liegen. Manche haben allerdings illusionäre Vorstellungen und denken, wir könnten ihnen einen Job verschaffen, unabhängig von jeder Qualifizierung. Aber zaubern können wir leider nicht.
Und dennoch haben Sie in vielen Fällen Erfolg. Wie helfen Sie konkret arbeitssuchenden Jugendlichen?
Jurema: Viele Jugendliche fürchten sich vor der Bewerbungssituation, sind nervös. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Nicht wenige Jugendliche kommen so gut wie nie aus ihrer Favela heraus, sind nur den Umgang mit ihresgleichen gewohnt. In der Personalabteilung einer großen Firma vorsprechen, so etwas haben sie noch nie erlebt. »Die sehen doch gleich, wo ich herkomme«, hören wir immer wieder. Deshalb machen wir ein Bewerbungstraining mit ihnen und geben ihnen Tipps. Die gewohnte E-Mail-Adresse angeben, wie etwa »Süße Katze«, empfiehlt sich wohl eher nicht. Wie kann das Outfit aussehen? Was ist mit ihrer Wohnadresse in einer berüchtigten Favela? Am Ende spielen wir ein Bewerbungsgespräch durch, so sind sie vorbereitet. Bevor sie zum Vorstellungsgespräch gehen, bekommen sie von uns ein Empfehlungsschreiben, das sie bei der Bewerbung vorlegen.
Das hört sich nach sehr grundsätzlichen Problemen an ...
Carlos Henrique: In der Tat. Manche haben nicht genug Kleidung und Schuhe für ein Vorstellungsgespräche, deshalb werden wir jetzt eine Kleidersammlung machen, damit die Kandidaten sich etwas ausleihen können.
Lucimar: Wir klären sie auch darüber auf, welche Rechte sie als Arbeitnehmer haben. Zum Beispiel ist der Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet, ihnen die Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz mit dem Bus zu bezahlen und ihnen einen Essengutschein zu geben, aber das ist manchmal kompliziert.
Wieso?
Lucimar: Die Arbeitgeber suchen Arbeitskräfte in der Umgebung des Unternehmens, dann sind die Fahrkosten niedriger – oder sie bieten dem weiter weg wohnenden Kandidaten den Job unter der Voraussetzung an, dass die Fahrkosten von seinem Lohn abgezogen werden.
Infos: ccemprego.blogspot.com
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