Erfolge als Medizin für den Trainer
Biathlon-Frauenstaffel aus Belarus widmet Platz drei in Oberhof dem kranken Klaus Siebert
Andrea Henkel war noch nicht auf der langen Oberhofer Zielgeraden angekommen, da herzten sich die Mitglieder der Biathlonstaffel aus Belarus schon kräftig und schrien in die nächste Fernsehkamera. Der Gruß nach dem überraschenden dritten Platz ging jedoch nicht nach Hause, sondern nach Altenberg zu ihrem Trainer Klaus Siebert. Der Mann, der die Mannschaft aus Belarus wieder zurück an die Weltspitze geführt hat, konnte ausgerechnet den größten Staffeltriumph seiner Frauen seit fünf Jahren nur am Bildschirm verfolgen.
Siebert ist an Darmkrebs erkrankt und durchläuft nach einer Operation gerade die Chemotherapie. »Wir wollten ihm auf diesem Weg danken und Gesundheit wünschen«, sagte die glückliche Schlussläuferin Ludmila Kalintschik. »Er hat uns hierher gebracht. Ohne ihn hätten wir nicht diese Erfolge. Ich hoffe, wir haben ihn schon bei der WM im März wieder an unserer Seite.«
Der deutsche Trainer steht seit Jahren im Mittelpunkt in Oberhof. Seine beste Athletin Darja Domratschewa hatte in den beiden vergangenen Jahren ihren ersten Weltcuperfolg in Führung liegend auf kuriose Weise verpasst. 2009 schoss sie stehend auf die viel kleineren Liegendscheiben, im Jahr darauf zielte sie auf die Scheiben der Nachbarbahn. Siebert blieb immer nur Kopfschütteln.
Doch ausgerechnet am Schießstand behielten Kalintschik, Domratschewa, Nadeschda Skardino und Nadeschda Pisarewa diesmal die Nerven. Während das deutsche Quartett Kathrin Hitzer (2), Magdalena Neuner (2), Tina Bachmann (3) und Andrea Henkel (2) eine Strafrunde nach der nächsten laufen musste, hielten sich die Frauen aus Belarus mit einer Runde vergleichsweise schadlos. »Natürlich ist bei solch schweren Bedingungen mit Windböen und Nebel immer etwas Glück dabei, aber schon das Männerrennen hat gezeigt, dass am Ende die Besten auf dem Podium stehen«, sagte Kalintschik.
Die Allerbesten waren die Schwedinnen, die sich ebenfalls nur eine Strafrunde leisteten und klar vor Frankreich gewannen. »Wir waren schon bei den ersten drei Weltcups beste Schießnation. Wir haben im Sommer viel ins Schießen investiert. Das zahlt sich nun aus«, sagte Schwedens Trainer Wolfgang Pichler. Ein Vorteil, der sich für die im Gesamtweltcup auf Rang zwei und drei liegenden Helena Ekholm und Anna Carin Zidek im heutigen Sprint und beim Massenstart am Sonntag wieder auszahlen dürfte, denn die Wettervorhersagen prognostizieren kaum Besserung.
Indes herrschte beim deutschen Trainerteam Ratlosigkeit. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich kann mir diese Schießleistungen nicht erklären. Das müssen die Mädchen mir erklären«, sagte Co-Trainer Ricco Groß. Jedes Mal hatten sich seine Athletinnen in der Loipe wieder näher an die Spitze herangekämpft, bis sie dann wieder fast die Hälfte aller Schüsse danebensetzten und in die Strafrunde abbiegen mussten. »Das wäre wohl immer so weitergegangen«, versuchte sich Andrea Henkel in Galgenhumor. »Ich war froh, als es endlich vorbei war.« Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig betonte: »Die Laufleistungen haben wir eindeutig bestimmt. Das stimmt uns zuversichtlich, heute im Sprint wieder angreifen zu können.«
Frauen-Staffel 4 x 6 km: 1. Schweden 1:17:53,1 h/1 Strafrunde + 8 Schießfehler, 2. Frankreich + 0:52,3 min/3+9, 3. Belarus + 1:31,4/1+13, 4. Ukraine + 2:53,2/5+12, 5. Russland + 3:06,1/ 8+16, 6. Deutschland (Hitzer, Neuner, Bachmann, Henkel) + 3:16,8/ 9+17.
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