Schuldenbremse ausgebremst?
Gegner rüsten sich für Plebiszit in Hessen
Zweieinhalb Monate vor der Volksabstimmung über die Aufnahme einer Schuldenbremse in die hessische Landesverfassung rüsten sich die Gegner des Projekts für den Kampf um die Köpfe. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di besprach am Freitag mit Funktionären aus allen Bezirken in Frankfurt am Main Einzelheiten der anstehenden Kampagne. Die hessische Linksfraktion erwägt die Anrufung des Staatsgerichtshofs, um die Verfassungsänderung in letzter Minute auszubremsen.
CDU, FDP, SPD und Grüne sind für das Kreditverbot und haben mit einem Landtagsbeschluss im Dezember die Volksabstimmung formal eingeleitet. Die Linksfraktion hatte vergeblich gefordert, auch einen Hinweis auf die Minderheitenposition im Parlament in das Papier aufzunehmen. Dementsprechend werden nun alle Wahlberechtigten Post vom Landeswahlleiter bekommen und darin nach Auffassung der LINKEN einseitig beeinflusst und zu einem »Ja« am 27. März ermutigt. »Dies verletzt das Demokratieprinzip der Hessischen Verfassung«, so Fraktionschef Willi von Ooyen.
Auch Manfred Coppik, Justitiar der Fraktion, sieht die Grenzen einer reinen Erläuterung der Gesetzesänderung weit überschritten. So beziehe sich der Text auf das Grundgesetz, liste Argumente der Befürworter auf und erwecke den falschen Eindruck, dass die Schuldenbremse neue staatliche »Gestaltungsspielräume« schaffe. Es sei »äußerst problematisch«, wenn der Staat den Bürgern ein bestimmtes Abstimmungsverhalten empfehle. Alle Macht geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz. Bei Wahlen und Abstimmungen gelte deshalb für Staatsorgane ein Neutralitätsgebot, erklärt Coppik und fragt: »Ist man sich der Kraft der eigenen Argumente so unsicher, dass man jedem Wähler einzeln mitteilt, wie er zu entscheiden habe?« Der Staatsgerichtshof dürfte eigentlich gar nicht anders entscheiden, als diesen Vorgang für verfassungswidrig zu erklären, ist der Rechtsanwalt überzeugt.
Die zuständigen Richter wurden ausnahmslos von den vier Landtagsfraktionen ernannt, die für die Schuldenbremse gestimmt haben. Van Ooyen ist daher skeptisch, ob die Anrufung des Staatsgerichtshofs Erfolg hat. Gleichwohl verdichteten sich am Freitag Hinweise darauf, dass die LINKE es versuchen wird.
Unterdessen läuft die Vorbereitung der Gewerkschaften und ihrer Bündnispartner auf die Kampagne gegen den »Freifahrschein für Sozialabbau« (ver.di-Landeschef Jürgen Bothner) auf Hochtouren. Sie wollen mit landesweiten Aktionen, persönlicher Ansprache, Flugblättern und elektronischen Mitteln vor allem die noch unentschiedenen und gleichgültigen Wähler erreichen.
Eine gemeinsame Kampagne von CDU, FDP, SPD und Grünen ist derweil nicht in Sicht. Mitte Dezember hatten sich im Wiesbadener Landtag heftige Differenzen zwischen den Regierungs- und Oppositionsparteien über die Interpretation und Konsequenzen des Beschlusses abgezeichnet.
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