Fanal Tunis

Standpunkt von Roland Etzel

  • Lesedauer: 2 Min.

Das unerwartet schnelle Ende der scheinbar so fest gefügten Ben-Ali-Herrschaft hat bei Millionen Menschen im arabisch-afrikanischen Raum unbändige Freude und Stolz ausgelöst. Da ist Selbstbewusstsein neu erwacht, das allzu lange verschüttet schien. Dagegen dürfte Ben Alis Amtskollegen, Verbündeten und dem tunesischen Sonnenkönig sonstwie zugetanen (Geschäfts)-Partnern das Blut in den Adern gefroren sein. Dass eine zunächst kleine Protestbewegung eine solche Eigendynamik entwickelt und einen ganzen Machtapparat innerhalb von Stunden pulverisiert – das hatte keiner von ihnen auf der Rechnung. Nicht der französische Präsident, der noch Mitte der Woche Loyalitätsbekundungen nach Tunis übermitteln ließ; nicht die deutschen Reisekonzerne, die unbeeindruckt weiter Hunderte von Urlauber an Tunesiens Discounter-Strände gekarrt hatten – sie alle glaubten den Erklärungen Ben Alis, er behalte die Sache im Griff, nur allzu gern.

Das Wort »Revolution«, mit dem man in den westlichen Metropolren – ging es um Georgien oder die Ukraine – gern kokettierte, wird jetzt tunlichst vermieden. Sie haben diesmal wahrlich keine Aktie daran, fühlen sich folglich nicht als Sieger und benehmen sich auch sonst wie Betroffene.

Geblieben ist ihre Arroganz. Oder wie soll man es sonst werten, dass die Bundeskanzlerin zur Demokratie in Tunesien mahnt, was weder ihr noch ihren Vorgängern gegenüber Ben Ali jemals in den Sinn gekommen ist?

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.