Die Weltbank-Strategie taugt nur für die Multis

Amani Mustafa Mhinda über die Gefahren und Möglichkeiten des Bergbaus in Tansania

  • Lesedauer: 4 Min.
Amani Mustafa Mhinda arbeitet für die Tanzania Mineworkers Development Organization. Die seit Ende der 90er Jahre aktive Organisation ist Kooperationspartner der Rosa-Luxemburg-Stiftung und setzt sich für die Rechte von Kleinschürfern ein. Zudem bemüht sie sich um einen sozial und ökologisch verträglichen Bergbau. Über die Entwicklung des Bergbaus in Tansania sprach mit Mhinda für ND Martin Ling.
Amani Mustafa Mhinda
Amani Mustafa Mhinda

ND: Welche Bedeutung hat Bergbau in Tansania?
Amani Mustafa Mhinda: Bergbau ist ein schnell wachsender Sektor in Tansania. Derzeit wächst er je nach Statistik um 12 bis 15 Prozent pro Jahr. Damit ist der Bergbau hinter dem Dienstleistungssektor rund um die Telekommunikation der am zweitschnellsten wachsende Wirtschaftssektor im Land. Was den Export anbelangt, ist der Bergbau der wichtigste Devisenbringer mit 46 Prozent, das meiste davon beruht auf Goldexporten.

Wie steht es um den Einfluss von ausländischem Kapital?
Derzeit fließt viel ausländisches Kapital in Direktinvestitionen. Der Beitrag des Bergbausektors zum Bruttoinlandsprodukt hält sich mit 3,5 Prozent freilich in Grenzen. Das liegt am Gewinntransfer in die Mutterländer der Bergbaukonzerne.

Die entwicklungsökonomisch ratsame Verflechtung von Industriesektoren scheint somit beim Bergbau nicht sonderlich ausgeprägt. Inländische Wertschöpfungsketten über mehrere Verarbeitungsstufen sind Fehlanzeige?
In der Tat. Es gibt keine Verbindung zwischen dem Bergbau und anderen Sektoren. Der Bergbau funktioniert gewissermaßen als zentralisierte Exklavenindustrie, die von ausländischen Unternehmen dominiert ist. Die haben kein Eigeninteresse daran, Gewinne wieder in die tansanische Wirtschaft zu investieren.

Welche ausländische Unternehmen stehen im Vordergrund?
Der kanadische Multi Barrick Gold hat vier von sechs der großen Goldminen in seinem Besitz. Die anderen Unternehmen stammen aus Australien, Großbritannien und Südafrika.

Und China?
China ist ein neuer Akteur im Bereich von Nickel und Kohle, bei Gold sind die Chinesen nicht involviert. China und Indien beginnen aber insgesamt im Bergbau eine größere Rolle zu spielen, diese Entwicklung steht aber am Anfang.

Tansanischer Einfluss im Bergbau scheint eng begrenzt, für die Bevölkerung scheint wenig abzufallen. Wird darüber diskutiert?
Ja. Es wird über öffentliches Eigentum am Bergbau diskutiert und darüber, wie viel lokaler Wertschöpfungsanteil am Produktionswert mindestens vorgeschrieben werden soll. Der Bergbau war seit der Unabhängigkeit 1961 bis 1979 unter staatlicher Kontrolle. Dafür sorgte damals Staatspräsident Julius Nyerere. Nach 1979 wurde der Sektor geöffnet, was zum Entstehen von Bergbau im Kleinmaßstab führte. Viele Tansanier begannen, auf eigene Rechnung als Gold- oder Diamantenschürfer zu arbeiten. Die Liberalisierung sorgte für eine Menge Jobs. Unsere Analyse von 1992 ergab, dass 1,2 Millionen Tansanier sich damit ihr Brot verdienten.

Und es gab jede Menge Verflechtung mit der tansanischen Wirtschaft, die Schürfer kauften ihre Werkzeuge im Inland und verkonsumierten und investierten ihre Erträge in Tansania. Die Hauptstadt Arusha verdankt ihre Entwicklung beispielsweise größtenteils dem Bergbau, das gilt auch für Geita und Mwadui. Sie alle profitierten enorm von der Gold- und Diamantenförderung.

Analysen zeigen, dass selbst nach dem Sturz von Nyerere 1985 und den folgenden Jahren der Wirtschaftskrise bis 1990 dieser Sektor der Kleinschürfer florierte, auch weil Nyereres Nachfolger Ali Hassan Mwinyi die Banken veranlasste, das Gold von den vielen Schürfern aufzukaufen und in die Tresors zu packen. Damit wurde Einkommen für viele Tansanier geschaffen und die Wirtschaft in der Krise stabilisiert.

Nach Nyerere nahmen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank Einfluss auf die Wirtschaftspolitik. Welche Auswirkungen hatte das auf den Bergbau?
Die Weltbank-Strategie für den Bergbau wurde in den 90ern implementiert. Die Weltbank behauptete, dass Tansania nicht vom Bergbau, so wie er praktiziert wurde, profitieren würde. Dafür müssten die Strukturen über Gesetze und Regulierungen reformiert und der Sektor für Bergbau im Großmaßstab geöffnet werden. Dieser Prozess startete 1992.

Mit welchen zentralen Folgen?
Viele kleine Schürfer wurden verdrängt, aber nicht nur die. Bergbau im großen Maßstab nimmt viel Landfläche in Anspruch. Das betraf auch viel bis dato agarwirtschaftlich oder als Weidefläche genutztes Land. Die Landspekulation hat ebenfalls zugenommen, weil die Minenkonzerne in großem Maßstab Land aufkaufen. Einer der Konzerne hat sich eine Fläche in der Größe der Niederlande unter den Nagel gerissen. All das ging mit Vertreibungen von Menschen und Zerstörungen von Lebensgrundlagen einher. Die Ernährungssicherheit im Land hat abgenommen. Der Landraub wurde nicht widerstandslos hingenommen. Mindestens 15 Tansanier kamen dabei ums Leben. Viele der Vertriebenen haben nach über einem Jahrzehnt noch keine neue, feste Unterkunft. Das sind nur die sozialen Folgen, die ökologischen wie die Vergiftung der Flüsse durch Gebrauch von Zyanid kommen noch hinzu.

Wie kann diese Entwicklung korrigiert werden?
Wir von der Zivilgesellschaft bemühen uns darum, dass ein Gesetz erlassen wird, dass die betroffenen Menschen wirklich beschützt. Damit der Bergbausektor von Nutzen sein kann, muss er mit dem Rest der Wirtschaft und Gesellschaft verbunden werden. Derzeit kaufen die Minenunternehmen nicht einmal ihr Trinkwasser oder ihr Fleisch in Tansania – alles wird importiert. Die Politik wird ihrer Aufgabe, Entwicklung für die Bevölkerung zu stiften, bisher nicht gerecht. Wir arbeiten daran, dass sich das ändert.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.