Linke Listen konkurrieren in Gießen

Linkspartei tritt zur hessischen Kommunalwahl flächendeckend an – mit einem »Schönheitsfehler«

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Außer sieben Landtagswahlen stehen in diesem Jahr auch Kommunalwahlen in Hessen und Niedersachsen bevor. Bei den hessischen Kommunalwahlen am 27. März tritt die LINKE flächendeckend in allen Landkreisen und kreisfreien Städten sowie in zahlreichen Städten und Gemeinden an.

Die Linkspartei macht sich in diesem Jahr Hoffnung auf die Verdopplung der Zahl ihrer Mandate in den hessischen Gemeinden. Vor fünf Jahren und somit noch vor dem Zusammenschluss von Linkspartei.PDS und WASG im Sommer 2007 hatten linke Listen landesweit rund 150 Sitze erobert.

Neben den Bewerbungen um Sitze in Kommunalparlamenten schickt die Partei auch bei den zeitgleich stattfindenden Direktwahlen von Oberbürgermeistern und Landräten mehrere eigene Bewerber ins Rennen. So etwa in den nordhessischen Städten Kassel und Marburg, wo die Stadtverordneten Kai Böddinghaus bzw. Henning Köster für das Oberbürgermeisteramt antreten. Als linke Landratskandidaten haben die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker Fritz-Walter Hornung im Main-Taunus-Kreis (zwischen Frankfurt und Wiesbaden) und Andreas Müller im Main-Kinzig-Kreis (zwischen Frankfurt und Fulda) den Hut in den Ring geworfen.

Zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase werden die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch Ende Januar in Kassel und der ehemalige Parteichef und saarländische Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine Mitte Februar in Frankfurt erwartet. Landesweites Bindeglied ist neben programmatischen Grundaussagen unter dem Motto »Mensch vor Profite« die Kampagne gegen das Bestreben, eine Schuldenbremse in der hessischen Landesverfassung zu verankern. Darüber wird parallel zu den Kommunalwahlen ebenfalls am 27. März eine Volksabstimmung stattfinden. Die hessische LINKE ist hierbei die einzige im Landtag vertretene Partei, die die ablehnende Position von Gewerkschaften und Sozialverbänden teilt.

Ein »Schönheitsfehler« überschattet die landesweite Kampagne der hessischen LINKEN allerdings in der mittelhessischen Stadt Gießen. Hier konkurrieren – für Außenstehende überraschend – zwei offene Listen gegeneinander: die Kandidatenliste der Linkspartei und das Linke Bündnis. Ein Auslöser hierfür war dem Vernehmen nach eine LINKE-Vertreterversammlung im vergangenen November zur Aufstellung einer auch für Nichtmitglieder offenen Bewerberliste. Dabei straften die örtlichen Parteimitglieder den amtierenden Vorsitzenden der vierköpfigen Rathausfraktion, Michael Janitzki, in mehreren Wahlgängen ab. Janitzki ist nun Spitzenkandidat der 36-köpfigen Wählergruppe »Linkes Bündnis«, für das auch gestandene Gewerkschafter und Aktivisten aus Hochschule und Mieterverein antreten. Der von einigen in der Partei erhobene Vorwurf, Janitzki habe in den zurückliegenden fünf Jahren einen »Schmusekurs« gegenüber anderen Fraktionen betrieben, wird in seinem Umfeld vehement bestritten.

In beiden Lagern scheint man indes bemüht zu sein, gegenseitige Angriffe zu unterlassen und die Energie auf den gemeinsamen Gegner zu richten, zumal grundsätzliche programmatische Differenzen bislang nicht erkennbar sind. Auf beiden konkurrierenden Listen treten dem Vernehmen nach auch Mitglieder der DKP an. Auch bei der Kreistagswahl gehen beide Listen gegeneinander ins Rennen.

Auf beiden Listen finden sich Personen mit einer gewissen Bekanntheit. Für Überraschungen nach der Endauszählung könnte so auch das hessische Wahlrecht sorgen, das keine Fünfprozenthürde kennt und die Möglichkeit bietet, einzelne Bewerber durch Stimmenhäufung zu bevorzugen. Beobachter schließen nicht aus, dass beide linke Listen nach der Wahl Mandate erringen und hinterher der Druck zur Zusammenarbeit so stark sein könnte, dass sich die gewählten Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenschließen. Ein ähnlicher Zusammenschluss zweier linker Rathausfraktionen hatte im letzten Sommer auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover stattgefunden.

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