Wahlkampf mit Siegfrieds »unbequemen Wahrheiten«

Hamburger CDU hetzt zusammen mit Guttenberg gegen Kommunisten und setzt sich für deutsche Wirtschaftsinteressen ein

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Wahlkampf im Norden, wo am 20. Februar der Auftakt zum Superwahljahrs stattfindet, hatte die Union am Montagabend das Allerbeste geschickt, was sie derzeit zu bieten hat: Das Gesamtkunstwerk Karl-Theodor zu Guttenberg.
Schweigender Kommentar vor den Türen der CDU.
Schweigender Kommentar vor den Türen der CDU.

Eine Inszenierung mit Bayreuther Festspiel-Qualitäten: Wie der junge Siegfried das Feuer, durchschreitet der Bundesminister der Verteidigung mit seinem Gefolge den großen Saal des Congress Centers Hamburg (CCH). Die mehr als 2000 Anhänger, die ins CCH gepilgert sind – der Ansturm ist so groß, dass rund 400 vor der Tür bleiben mussten –, feiern ihren strahlenden Helden dann auch standesgemäß mit frenetischem Jubel.

Jedes bisschen von dieser Aura kann Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) dringend gebrauchen; derzeit liegt er 17 Prozentpunkte hinter seinem sozialdemokratischen Herausforderer Olaf Scholz. Und so entert er, beflügelt von den ozeanischen Gefühlen, die sofort zwischen zu Guttenberg und dem Publikum aufgekommen sind und noch durch das Abspielen der bombastischen Filmmusik von »Fluch der Karibik« gesteigert werden, leichtfüßig die Bühne.

Dort geht er sogleich in Angriffsstellung: Die »Basta-Politik« der SPD ist seine Zielscheibe. Scholz’ jüngsten Coup, die Nominierung des Handelskammer-Präses Frank Horch als Wirtschaftssenator, geißelt Ahlhaus als »unglaubwürdig« und »Anbiederung an die Hamburger Wirtschaft«. Seine Partei hingegen werde die Stadt in ein blühendes »Silicon Valley der Umwelttechnologie« verwandeln. Die alten und voraussichtlich neuen Koalitionspartner der SPD, die Grünen, würden eine moderne Umweltpolitik vereiteln, weil sie eine »Dagegen-Partei« der »Ideologen und Blockierer« sei.

Aber vielleicht komme es ja noch schlimmer, unkt Ahlhaus – zu Rot-Rot-Grün: So mancher führende Sozialdemokrat »klatscht heimlich Beifall, wenn Frau Lötzsch vom Kommunismus redet«, schickt Ahlhaus das Gespenst in die Spur, vor dem sich sein bürgerlich-konservatives Publikum gruselt. Er bescheinigt der LINKEN ein »gestörtes Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung« und weiß ganz genau, dass sie dort weitermachen wolle, wo die SED einst aufgehört habe.

Und dann ist Götterdämmerung für alle Sozialdemokraten – Karl-Theodor betritt die Bühne und attackiert den »Politikstil« der SPD. Der sei geprägt von einem »Versprechensszenario« und »Schwadronieren«. Davon hätten die Bürger »die Schnauze voll«. Aufrechte Politik, wie sie seine Partei in Bayern pflege, wo »das Wort Selbstbewusstsein fehlerfrei buchstabiert wird«, scheue keine »unbequemen Wahrheiten«.

Zu denen gehöre eine Einwanderungspolitik, die nicht selten in die Sackgasse »des Sozialsystems und der Kriminalität« führe. Thilo Sarrazin habe den »Finger in eine klaffende offene Wunde gelegt«, sagt zu Guttenberg und wird mit heftigem Applaus für sein Eigenlob belohnt, er habe im Gegensatz zu vielen anderen Sarrazins Buch gelesen, bevor er es kritisiert habe.

Und schon folgt die nächste »unbequeme Wahrheit«: Der »Zusammenhang zwischen der militärischen Durchsetzung regionaler Sicherheit in Afghanistan und deutschen Wirtschaftsinteressen«, der endlich eingestanden werde müsse. Somit habe der Bundeswehreinsatz auch positive Auswirkungen für Hamburg, kehrt Guttenberg noch einmal kurz von der Selbstdarstellung in den Wahlkampf zurück.

Während er noch ausgiebig die Meinungsfreiheit in den westlichen Demokratien preist, entrollen jugendliche Antimilitaristen ein Transparent mit der ironischen Aufschrift »Weltkrieg – jetzt sofort«. Nachdem Ordnungskräfte sie aus dem Saal geführt haben, versammeln sich etwa 25 Demonstranten, einige trugen blutverschmierte Felduniformen, draußen zu einem Die-In gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr.

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