Leseprobe

Nietzsche

  • Lesedauer: 2 Min.

Ich präsentiere hier einen Denker, mit dem es sich lohnt zu diskutieren. Ich kenne keinen Philosophen, der so leidenschaftlich danach gefragt hätte, was denn eigentlich der Sinn des Lebens sei, warum und wie man leben solle? ... Aus dem Irrenhaus, wo die Menschen aus religiösen, nationalen und ideologischen Gründen sich die Köpfe gegenseitig blutig schlugen, sollte eine Stätte der Genesung und des Wohlbefindens werden: Unserem Planeten die Treue zu wahren, muss uns eine Herzensangelegenheit sein, an ihm zu sündigen das größte Übel.

Doch Nietzsche, der einsame Rebell, der uns als Dichterphilosoph zu dieser herrlichen Aufgabe in einer zugleich poetischen und diskursiven Sprache aufruft, ist immer noch ein Gefangener der akademischen Kreise. (So lautet der Titel meines ersten Buches über den Philosophen, erschienen 2000.) Ja, er ist immer noch Tabu in Ost und West. Man fürchtet den unbequemen und gefährlichen Denker, weil er dazu anstiften könnte, inmitten der postmodernen Beliebigkeit, der Dominanz des Marktes und der so genannten Sachzwänge, die faule These vom alten Adam, der er sich niemals ändern werde, vom Tisch zu fegen und zu einer Alternative in Theorie und Praxis anzuregen.

Das Leben ist schließlich Bewegung und Veränderung, und der Mensch kann ja nicht ewig auf der Stelle treten. Zwar ist Nietzsche ein Gegener des Historismus, der rückwärts gewandt ist und den Blick nach vorne verstellt. Aber als Anhänger des nie endenden Werdens, lässt er das große Weltenkind Heraklit stets von Neuem würfeln und fordert uns auf zu neuen Spielen des Lebens ... Wir leben, laut Nietzsche, in einer Welt, die nie ärmer an menschlicher Liebe, Wärme und Solidarität gewesen sei. Kein Philosoph hat mit einem derart tiefen Verdacht in die Welt geschaut. Dabei fand er heraus, dass ein grundsätzlicher, epochaler Wandel, eine Umwertung aller bisherigen Werte dringend notwendig sei.

Aus der Einführung von Almos Csongár zu seinem neuen Buch »Nietzsche light. Zwischen Genie und Wahnsinn« (Patchworld, 224 S., br., 19,90 €).

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.