Samuel Ruiz: »Die indigene Bevölkerung hat mich verändert«
Der in Mexiko-Stadt verstorbene Altbischof genoss international hohes Ansehen
Der internationalen Öffentlichkeit wurde der Bischof bekannt, als er 1994 in der Kathedrale von San Cristóbal de las Casas im Bundesstaat Chiapas die Verhandlungsgespräche zwischen der aufständischen Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung und der mexikanischen Regierung führte. In San Cristóbal wirkte Samuel Ruiz García 40 Jahre lang bis zu seiner Emeritierung Anfang 2000.
Als er 1960 als damals jüngster mexikanischer Bischof Einzug in San Cristóbal hielt, machte Samuel Ruiz García auf den Ethnologen Fernando Benítez den Eindruck eines Fanatikers und strammen Antikommunisten, der auf der Seite der Großgrundbesitzer und Mächtigen stand. Doch bald begann eine tiefe Wandlung. »Die indigene Bevölkerung hat mich verändert«, sagte der Bischof rückblickend 1995. Und: »Wenn einer gleich bleibt, gibt es keine Bewegung, sondern Tod.« Im Gegensatz zu den meisten anderen Bischöfen besuchte er auch die entferntesten Gemeinden seiner Diözese und lernte die bittere Armut der bäuerlichen und indigenen Bevölkerung aus eigener Anschauung kennen.
Ruiz verwies die Menschen nicht auf das Jenseits, sondern ermunterte sie, für ihre Rechte auf Erden zu kämpfen. Das ihm bald angehängte Etikett Befreiungstheologe lehnte er jedoch ab. »Meine Sorge ist nicht die Theologie, sondern die pastorale Aktion«, so der Bischof. Und er ergänzte: »Eine Pastoralarbeit, die niemals darin bestehen wird, die Menschen in die Sklaverei zu führen, nicht wahr?«
Zweimal wurde Samuel García für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Trotz Unterstützung aus vielen Ländern sollen es die Einwände von Vatikan und mexikanischer Regierung gewesen sein, die die Auszeichnung verhinderten.
Am heutigen Mittwoch wird Ruiz García in der Kathedrale von San Cristóbal de las Casas bestattet. So hatte er es sich gewünscht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.