Renate Künast will für alle da sein

Berliner Grüne stellten Entwurf ihres Wahlprogramms für die Abgeordnetenhauswahl 2011 vor

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Eine Stadt für alle – Berlins Aufbruch 2011« lautet der Titel für den Entwurf des Wahlprogramms der Grünen, mit dem die Partei in der Hauptstadt bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 stärkste Kraft werden und mit Renate Künast erstmals eine Grüne Regierende Bürgermeisterin werden will.

Eine glückliche Hand hat Renate Künast im Berliner Wahlkampf bisher nicht bewiesen. Dabei hatte die Grüne-Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin alle Trümpfe in der Hand: In Umfragen lag die Klimapartei vor der SPD, selbst im direkten Vergleich mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sah Künast nicht chancenlos aus. Doch dann vergrätzte die Spitzengrüne nach ihrem fulminanten Auftakt im November mit Tempo 30-Zonen, dem Infragestellen von Gymnasien und des Großflughafens BBI potenzielle bürgerliche Wähler. Prompt folgte der Sinkflug in den Umfragen.

Mit der Vorstellung ihres Entwurfs für ein Wahlprogramm wollten die Grünen gestern wieder in die Offensive kommen. Doch das schlechte Timing setzte sich fort: Die Pressekonferenz stand im Schatten der Räumung eines linken Wohnprojekts. Eine »feine Ironie« oder ein »Déjà-vu« wollte Künast dennoch nicht erkennen, dass sie das Grüne-Wahlkampfprogramm ausgerechnet am Räumungstag eines der letzten besetzten Häuser in Berlin vorstellt – hatten doch die Grünen 1990 einen Senat wegen der Räumung eines komplett besetzten Straßenzuges in Ostberlin verlassen. Abgesehen von einer kurzen Übergangsphase waren die Grünen in der Hauptstadt seitdem nicht mehr an einer Senatskoalition beteiligt.

Das soll sich ändern. »Wir wollen stärkste politische Kraft werden und ich Regierende Bürgermeisterin«, unterstrich Künast ihre Ambitionen. Um das Ziel zu erreichen, haben sich die Grünen inhaltlich breitgefächert aufgestellt. »Die Grünen wollen Verantwortung für die ganze Stadt übernehmen«, betont Künast. Schließlich gelte es, Wähler aus allen Schichten, jeden Alters und aller Stadtteile anzusprechen. Herausgekommen ist ein dementsprechendes Programm: Satte 118 Seiten lang ist der Entwurf mit dem Titel »Eine Stadt für alle – Berlins Aufbruch 2011«. Er muss Anfang März noch von der Basis abgesegnet werden.

Grundsätzlich geht es den Grünen nicht nur um einen Politikwechsel, sondern eine neue politische Kultur. Im Dialog mit den Bürgern sollen künftig Blockaden aufgelöst und dadurch neue Potenziale erschlossen werden. »Ehrlichkeit – Dialog – Verständigung« lauten die Stichworte dieses Konzepts, so Künast. Dazu gehört auch, dass sich die Grünen großspuriger Wahlversprechen enthalten, die angesichts stark reduzierter Bundessubventionen und eines Schuldenbergs von 62 Milliarden Euro des Landes Berlin auch nicht zu finanzieren wären.

Um aus der finanziellen Misere zu kommen, kündigen die Grünen Kürzungen in allen Bereichen außer der Bildung an. Allein bei den Sozialausgaben vermutet Künast ein Einsparpotenzial von 100 Millionen Euro. Sie will zudem die Gewerbesteuereinnahmen erhöhen und eine City Tax für Touristen einführen. Kernbereiche des Grünen-Programms sind »Bildung, Arbeit, Klima«. Auch die Stolpersteine »Tempo 30« und »BBI« finden sich im Entwurf wieder – aber leicht entschärft. Ganz ohne Versprechen kommt aber auch eine Renate Künast nicht aus: Von 10 Prozent auf 15 Prozent will sie den kommunalen Anteil am Wohnungsbestand erhöhen – langfristig gesehen.

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