Zerrissenheit der ersten Frau

»Liliths Wiederkehr« von Joumana Haddad im Radialsystem

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie haben sichtlich Spaß an ihrer Rolle, die beiden Liliths vom Theater RambaZamba. Wie sie auf der Bühne des Radialsystems miteinander tanzen und ringen, verbal ihre Kräfte messen und schließlich gemeinsam Gottes Schöpfung durcheinander bringen, macht klar: Regisseur Frank Krug hat eine hervorragende Wahl getroffen, als er den Text »Lilith’s Return« der libanesischen Autorin Joumana Haddad mit drei Spielerinnen jenes Berliner Theaters besetzte, in dem alle ein Handicap haben – die meisten das Down-Syndrom.

Dass aus dem poetisch-kämpferischen Text, in dem Joumana Haddad die Rückkehr einer unangepassten Frau in die heutige arabische Gesellschaft beschreibt und damit große Kontroversen im dortigen Sprachraum auslöste, überhaupt ein Bühnenstück wurde, ist vor allem dem Komponisten Mahmoud Turkmani zu verdanken. Er schrieb eine Partitur zum Buch und fragte den Theaterregisseur Frank Krug, ob der sich vorstellen könne, das Ganze auf die Bühne zu bringen. Der konnte – und stand bald vor der Frage, wie. »Eine reine Darstellung der arabischen Perspektive kam nicht in Frage.«

Doch wie erzählt man dann die Geschichte der Lilith, jenes mythischen Wesens, das bei den alten Sumerern als Göttin des Windes galt und in der feministischen Tradition als erste Frau Adams, die wegen ihres Beharrens auf Gleichberechtigung aus dem Paradies verbannt wurde? Bei einem Besuch der »Mongopolis«-Aufführung im Theater RambaZamba machte es »klick«. Krug entdeckte die großartige Schauspielerin Juliana Götze, die dort die Lilith spielte, und engagierte sie und ihre zwei stärksten Kolleginnen für das Musik-Tanz-Schauspiel im Radialsystem.

Juliana Götze, Fernsehzuschauern bekannt aus der mehrfach ausgezeichneten Polizeiruf-Folge »Rosis Baby«, sowie Nele Winkler teilen sich die Rolle der Lilith. Als Doppelwesen machen sie die inneren und äußeren Widersprüche einer Frau deutlich, die nicht ins herkömmliche Raster passt und sich dennoch behaupten will, samt ihren Bedürfnissen, Sehnsüchten und ihrer Lust. Haddads Text gewinnt durch das Spiel der beiden jungen Frauen mit Behinderung eine ganz eigene Bedeutung und wirkt dennoch nicht platt oder aufgesetzt.

Im Radialsystem bewegen sich die beiden Liliths in und vor einer drehbaren, zum Publikum hin offenen Bühnenkonstruktion, deren Wände – links ein stählernes Gerüst voller Aktenkästen, rechts eine glatte weiße Fläche – sich nach hinten verjüngen zu einer kleinen gläsernen Zelle. In diesem kargen Verwaltungstrakt ringt ein frustrierter, verunsicherter Gott (Rita Seredßus) mit seiner Schöpfung und sich selbst, während die beiden Liliths mit ihren Unzulänglichkeiten gleichzeitig kämpfen und kokettieren. Zu Anfang nackt bis auf hautfarbene Unterhosen, dann in einem weißen bzw. schwarzen Kleidchen, sprechen sie ihre Passagen zu Turkmanis Komposition, die zeitgenössische westliche Musik mit orientalischen Lautenklängen vereint.

Die Musiker spielen live auf der linken Seite der Bühne, und manchmal übertönen die Melodien den Text, doch spiegelt gerade das Unruhig-Zerrissene der Musik die ambivalente Figur der Lilith wider. Und wenn die beiden Frauen schließlich lustvoll Gottes Aktenregal entern und die Archivierungskästen hinaus stoßen, braucht es ohnehin keine Worte mehr.

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