Theater in der Länderkammer
Bundesrat beschäftigt sich heute mit dem unechten Vermittlungsergebnis zur Hartz-IV-Reform
Berlin (ND-Alexander/Agenturen). »Unechtes Vermittlungsergebnis«, klingt komisch, ist es auch. Dieses Ergebnis, das keines ist, gehört zum Schwarze-Peter-Spiel, das die Union mit SPD und Grünen spielt. Die Union hatte nie vor, die Regelsätze an die Kriterien des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar des vergangenen Jahres anzupassen. Sie hatte auch keinen Hehl daraus gemacht. Bundesfinanzminister Schäuble hatte schon kurz nach der Urteilsverkündung die Devise ausgegeben, die daraus resultierenden Kosten möglichst niedrig zu halten. Allerdings haben SPD und Grüne ihr den Gefallen getan, das Vermittlungsverfahren mit wohlfeilen Forderungen nach branchenspezifischen Mindestlöhnen und Schulsozialarbeitern zu überfrachten. Sie haben also selbst dazu beigetragen, dass sich die Regierungsseite mit vielen kleinen Zugeständnissen ins Gespräch bringen konnte. Und zu diesem Theater gehört eben auch, dass ein unechtes Vermittlungsergebnis von Union und FDP zu einem seriösen Kompromiss erklärt wird.
Schützenhilfe bei diesem Spiel erhält Schwarz-Gelb dabei vom saarländischen Grünen-Chef Hubert Ullrich, der gestern wegen der »minimalen Bewegung« beim Mindestlohn eine Zustimmung des Saarlandes nicht mehr ausschließen mochte. Die FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger setzt auf Gespräche nicht nur mit dem Saarland, sondern auch mit den Landesregierungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Sie hofft offenbar, durch das Angebot, der Bund könne schrittweise die kompletten Kosten für die Grundsicherungsrenten übernehmen, wenigsten einzelne finanzschwache Länder auf die Regierungsseite zu ziehen.
Nun ließ die Staatskanzlei in Saarbrücken umgehend dementieren, dass das Saarland zustimmen könnte. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer will die Koalition mit der SPD fortsetzen und auch in Schwerin und Erfurt dürfte Schwarz-Gelb schlechte Karten haben. Denn Frau Homburger kann nicht ernsthaft glauben, dass der mecklenburgische Ministerpräsident Erwin Sellering seine Sozialministerin Manuela Schwesig – die SPD-Verhandlungsführerin – so plump demontiert.
Die Mehrheit in der 69-köpfigen Länderkammer liegt bei 35 Stimmen. Schwarz-Gelb verfügt über 34 von 69 Stimmen. 21 Stimmen haben die rot, rot-rot und rot-grün regierten Länder. Der Rest verteilt sich auf die verbliebenen großen Koalitionen sowie die Koalition im Saarland. Wenn die Hartz-Reform heute scheitert, können Bundestag und Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen.
Die Kontroverse über die Hartz-IV-Reform prägt auch die Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn. Union und FDP sprachen sich am Donnerstag im Bundestag gegen Anträge von SPD und Grünen zur verbindlichen Einführung eines Mindestlohnes aus. Die Redner der Koalition verwiesen auf die von Rot-Grün abgelehnte Hartz-IV-Reform, in deren Rahmen die Weichen für Mindestlöhne in den Branchen Zeitarbeit, Sicherheitsgewerbe, Aus- und Weiterbildung gestellt würden. »Es gibt eine Chance für mehr verbindliche Mindestlöhne in Deutschland. Nutzen Sie die Chance«, sagte der Sozialexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß mit Blick auf die Abstimmung über das Hartz-Paket. Für Leiharbeiter sei die Koalition bereit, eine bislang zulässige unbefristete Lohnabsenkung zu befristen. Genannt sind neun Monate. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wies dies als »Placebokonstrukt« zurück. Wichtig sei, »dass wir den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen«. Nach neun Monaten helfe dies kaum noch.
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