Wahre Größe

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 2 Min.

Wie fühlt sich ein Gast, der auf dem Roten Teppich vom Blitzlichtgewitter der Fotografen und dem Gekreische der Autogrammjäger empfangen wird? Wahrscheinlich stolz, vermutlich bestätigt, sicher wichtig, bestimmt gut und vor allem: groß. Das gilt auch für einige Teppich- Beschreiter(innen), die in die Produktion des Premiere-Films gar nicht involviert sind. So lange sie den Eindruck ihrer eigenen Wichtigkeit vermitteln und von den Fotoreportern sogar abgelichtet werden, müssen sie ›wer‹ sein.

Dieser Schluss drängt sich jedenfalls Zaungästen auf, die eigentlich Promis »gucken« wollen, denen sie auch einen Namen zuordnen können. Trotzdem: Wer war am Freitagabend eigentlich die dunkelhaarige Dame mit dem nicht mehr ganz naturbelassenen Gesicht und der Lächelstarre, die aus der Blitzlichtgewitterzone gar nicht mehr weg zu bewegen war? Den Eindruck ihrer Größe bestärkte außer ihrer Selbsteinschätzung noch die Großleinwand. Denn in Ermangelung anderer Subjekte zeigte sie die Besagte in aller Ausführlichkeit. Aus der Realperspektive kam sie den Schaulustigen hinter den Absperrgittern allerdings nur klein vor.

Die Interpretation dieser Wahrnehmung änderte sich freilich, als den schwarzen Limousinen endlich die beiden Platzhirsche des Abends – Kevin Spacey und Jeremy Irons – entstiegen. Auch sie wirken aus 30 Metern Entfernung nicht wie Riesen. Den Unterschied machte einfach ihre unbestreitbare Star-Aura. Schwer zu sagen, ob den »Keeevin!«-Kreischwettbewerb Publikum oder Presse gewann, im Duell Kevin gegen Jeremy punktete jedenfalls Ersterer. Nicht ganz unpikant bei derlei Anlässen, zu denen man sich im Gruppenbild zwar mit Schulterschluss als Team präsentiert, hinter dem Lächeln aber möglicherweise den einen oder anderen Ego-Groll hegt.

Autogramme schrieben allerdings beide wie die Weltmeister. Wirkte Spacey dabei zuweilen überfordert, bedachte Irons jeden Fan mit einem tiefen Blick aus braunen Augen. Zumindest obsiegte der Brite garderobentechnisch: Seine schnallenbesetzten Lederstiefel blieben an jenem Abend ohne Konkurrenz.

Konkurrenzlos souverän trat auf der Bühne des Cinemaxx 8 am Samstagabend dagegen eine der weiblichen Legenden auf dieser Berlinale auf: Liv Ullmann. Die norwegische Bergman-Muse plauderte vor der Vorführung des »Retrospektive«-Klassikers »Szenen einer Ehe« natürlich und humorvoll über den Film und freute sich, die einzige »nicht neurotische Frauenrolle« bei Bergman gespielt zu haben. Mit donnerndem Applaus wurde die großartig aussehende 72-jährige Mimin für ihren Auftritt bedacht. Hier präsentierte sich eine wahrhaft Große.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.